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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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behalten die Menschen eine Haarlocke, wenn sie einen geliebten Angehörigen verlieren.«
    Plötzlich erstarrt sie mit weit aufgerissenen Augen. »Du willst eine dna-Probe!« Es ist eine Feststellung, keine Frage.
    »Ja. Ich will das Blut auf dem Boden in meinem Zimmer damit vergleichen.«
    »Ich habe aber nichts dergleichen.«
    »Der Teppich ist doch noch der gleiche wie damals, als ich hier gewohnt habe, oder?«
    Die beiden roten Flecken auf ihrer Wange sind immer dunkler geworden. »Du erinnerst dich nicht?«
    »Ich will nur sicher sein, Mom. Ist es das gleiche Bett?«
    »Herrgott noch mal, Catherine!«
    »Ist es das gleiche?«
    »Der Rahmen ist der gleiche. Die Matratze habe ich entsorgt.«
    »Warum?«
    »Urinflecken. Du hast häufig ins Bett gemacht, als du noch klein warst.«
    »Habe ich?«
    Jetzt steht Verblüffung in ihren Augen. »Du erinnerst dich nicht daran?«
    »Nein.«
    Sie seufzt müde. »Nun ja, ist auch besser so. Gehört wohl dazu, wenn man ein Kind ist.«
    »Was hast du mit der Matratze getan?«
    »Der Matratze? Ich bin sicher, Pearlie hat Mose gesagt, er soll sie zum Sperrmüll geben.«
    »Ich habe Mose vorhin draußen gesehen. Ich kann nicht glauben, dass er immer noch arbeitet!«
    »Er will nicht aufhören. Er ist nicht mehr so stark wie früher, aber er schafft noch eine ganze Menge.«
    Ich hasse es, sie zu drängen, doch was habe ich jetzt schon zu verlieren? »Ich weiß, es klingt vielleicht weit hergeholt, Mom, aber … wäre es möglich, dass Dad Sperma in eine Samenbank gegeben hat oder irgendwas in der Art?«
    Meine Mutter starrt mich an, als könnte sie nicht glauben, dass ich ihr Kind bin.
    »Es tut mir Leid, Mom«, flüstere ich. »Ich muss das tun. Ich habe keine Wahl.«
    Sie mustert mich lange und schweigend, dann wendet sie sich ab und nimmt einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee.
    Ich weiß, dass kein Wort von mir ihr jetzt helfen kann, deswegen gehe ich nach draußen und durch den Rosengarten zum linken Flügel von Malmaison. Das Büro meines Großvaters befindet sich im Erdgeschoss.
    Ich betrete das Herrenhaus und wandere in gelangweilter Vertrautheit vorbei an unschätzbaren Antiquitäten in die Bibliothek, die zugleich das Arbeitszimmer meines Großvatersist. Es ist eine Welt aus dunklen Holzsäulen, dicken Polstern und breiten französischen Fenstern, die hinaus auf die Frontgalerie führen, ausgestattet nach dem Vorbild von Napoleons Bibliothek. An Deckenbalken hängen Musketen aus dem Bürgerkrieg, und zwei Kristallleuchter erhellen den Raum. In den Regalen reihen sich ledergebundene Folianten, davor hängen an Samtschnüren Gemälde. Einige der Leinwände zeigen englische Jagdszenen, doch die meisten stellen Schlachtszenen aus dem Bürgerkrieg dar – allesamt Triumphe der Konföderierten. Die einzige Konzession an die Moderne ist ein langer Tisch aus Zypressenholz neben dem Rollladenschreibtisch meines Großvaters. Darauf stehen ein Computer, ein Drucker, ein Kopierer und ein Faxgerät. Der Papierauffangbehälter des Faxgeräts ist leer. Ich nehme mein Mobiltelefon heraus und betätige Seans Schnellwahltaste.
    »Cat?«, fragt er über dem allgemeinen Lärm der Unterhaltungen im Squad Room.
    »Ich stehe hier neben dem Fax«, sage ich zu ihm. »Bis jetzt ist nichts angekommen.«
    »Ich schicke es gleich los. Es gibt eine Menge öffentlicher Informationen über Malik, aber es ist hauptsächlich wissenschaftliches Zeug. Es fällt schwer, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was diesen Burschen antreibt.«
    »Wann wird die Sonderkommission mit ihm reden?«
    »Sie hat noch keine Entscheidung getroffen. Wie du gesagt hast, sie glauben, dass sie noch ein wenig Zeit haben, bevor er wieder zuschlägt. Niemand will bei dieser Sache Mist bauen.«
    »Okay. Ich melde mich wieder bei dir, wenn ich etwas Interessantes finde.«
    »Hey?«, fragt Sean.
    »Ja?«
    »Melde dich auf jeden Fall. Ich vermisse dich.«
    Ich schließe die Augen, als eine Hitzewelle meinen Nacken hinaufläuft. »Okay.«
    Ich lege auf; dann setze ich mich an den Schreibtisch meines Großvaters und warte darauf, dass das Fax durchkommt. Das Zimmer riecht nach frischen Zigarren, altem Leder, gutem Bourbon und Limonenöl. Neugierig geworden durch Michael Wells’ Geschichte von einer Vermarktungsgesellschaft, die die gesamte Innenstadt von Natchez aufkauft, ziehe ich in Erwägung, in den Schreibtischschubladen meines Großvaters zu schnüffeln, doch sie sind verschlossen.
    Irgendwann bin ich es leid, auf Seans Fax zu

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