Bisswunden
gemeißelten Gesichtszüge sind so hart wie Felsrippen. »Du bist noch immer voller Schmerz. Wir setzen diese Unterhaltung ein andermal fort. Wenn es sein muss.«
Ich will widersprechen, doch welchen Sinn hätte es? »Ich muss zurück nach New Orleans. Bitte geh nicht in mein Zimmer, bevor ich wieder hier bin. Es gibt nichts zu sehen ohne spezielle Chemikalien. Und lass bitte niemand anderen hinein.Mom bringt es fertig und scheuert das ganze Zimmer von oben bis unten mit 409 ab.«
»Keine Sorge, ich passe auf dein Zimmer auf. Teste und analysiere meinetwegen, so viel du willst.«
Ich sammle meine Papiere ein und gehe zur Tür der Bibliothek.
»Hast du inzwischen jemanden kennen gelernt, der wie ein potenzieller Ehemann aussieht?«, fragt Großvater mir hinterher.
Eine Hitzewelle schießt mir die Wirbelsäule hinauf.
»Ich frage mich allmählich, ob ich überhaupt noch einmal Kinder hier auf Malmaison zu Gesicht bekomme, bevor ich sterbe.«
Wenn er wüsste, dass ich schwanger bin, würde er sich wahrscheinlich nicht einmal daran stören, dass ich unverheiratet bin. »Mach dir keine Gedanken deswegen«, antworte ich, ohne mich umzudrehen. »Du wirst doch ewig leben, oder nicht?«
Ich öffne die Tür und stehe Großvaters Leibwächter gegenüber, der mich mit einem Grinsen anstarrt.
»Hey«, sagt er.
Ich schiebe mich wortlos an Billy Neal vorbei, und als ich davongehe, glaube ich, ihn etwas murmeln zu hören, das nach »Frigides Miststück« klingt.
An jedem anderen Tag hätte ich kehrtgemacht und ihm den Kopf abgebissen, doch heute nicht; es ist die Mühe nicht wert.
Heute gehe ich weiter.
12
I ch bin zwanzig Meilen südlich von Natchez, als das Valium allmählich meine überstrapazierten Nerven beruhigt. Sean hat in der Zwischenzeit zweimal angerufen, doch ich habe nicht geantwortet. Ich brauchte ein paar Minuten Ruhe, um nachdem Zusammentreffen mit meinem Großvater den angestauten Druck abzulassen und mich auf die Befragung nach Nathan Malik durch das FBI vorzubereiten. Wie auch immer die Nacht in Wirklichkeit verlaufen sein mag, in der mein Vater starb, ich muss es für den Augenblick beiseite legen und über meine beiden Jahre an der Medical School nachdenken. Sie werden bald das Thema intensiver Fragen durch das FBI sein.
Die Fakten sind relativ einfach. Wie Michael Wells durch Hörensagen erfahren hat, hatte ich eine Affäre mit einem verheirateten Professor, die außer Kontrolle geriet. Nach vier Monaten versuchte ich die Geschichte zu beenden, doch er wollte mich nicht gehen lassen. Um meinen Standpunkt zu verdeutlichen, schlief ich mit einem Arzt aus der Unfallstation, den der Professor kannte. Prompt unternahm er einen Selbstmordversuch. Es gelang ihm zwar nicht, sein Leben zu beenden, doch er beendete seine Karriere und meine Zeit an der Medical School. Mein Großvater hätte wahrscheinlich seinen Einfluss geltend machen können, um mich wieder aufzunehmen, doch in Wirklichkeit wollte ich gar nicht zurück. Ganz sicher nicht auf diese Art und Weise.
Das fbi wird sich für alles interessieren, was ich über Nathan Malik weiß – oder Jonathan Gentry, wie er sich damals noch nannte –, doch ich erinnere mich nicht an viel. Ich war damals häufig betrunken. Das, woran ich mich aus jener Zeit erinnere, wirft eine Frage auf. Warum habe ich mich immer nur mit verheirateten Männern eingelassen? Therapeuten erzählen, es wäre die Aussichtslosigkeit einer derartigen Beziehung, die mich anlockt. Männer ohne Partnerinnen verlieben sich, und es endet damit, dass sie Besitz ergreifen und mich für immer haben wollen. Ich will das nicht – jedenfalls damals nicht –, und verheiratete Männer sind eine pragmatische Lösung. Sie sind romantisch, sexuell erfahren und mit jemand anderem zusammen. Ich bin mir durchaus der Freud’schen Implikationen meines Lebensstils bewusst. Ich wuchs die längste Zeit meines Lebens ohne Vater auf, also fühle ich mich zuälteren Männern hingezogen. Na und? Die moralischen Probleme machen mir manchmal zu schaffen, doch das ist letzten Endes das Problem des Mannes, der sich auf mich einlässt. Was mich viel mehr bestürzt hat ist die Erfahrung aus erster Hand, wie wenig Liebe es in zahlreichen Ehen gibt – selbst jenen, die erst relativ kurze Zeit bestehen. Und doch stehe ich nun hier und will Sean für mich. Für mein Baby. Für immer. Die Ironie ist beinahe zu viel. Und trotz meiner Träume von einer glücklichen Zukunft habe ich in meiner Existenz stets nach einer
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