Bisswunden
dunklen, verborgenen Wahrheit gesucht: Es gibt kein Happy End für Frauen wie mich.
Mein Mobiltelefon meldet sich erneut. Diesmal antworte ich.
»Wo bist du?«, fragt Sean.
»Auf halbem Weg nach Baton Rouge. Ich fahre fünfundachtzig Meilen in einer Fünfundvierziger-Zone. Ich habe meine Warnlichter an. Wenn die Highway Patrol mich stoppt, sage ich, dass du mich nach New Orleans gerufen hättest.«
»Kein Problem. Hör zu, das fbi hat den Gerichtsbeschluss erwirkt. Der fbi-Odontologe ist bereits unterwegs zur Praxis von Dr. Shubb. Er wird wahrscheinlich damit fertig sein, bevor du hier eintriffst.«
»Verdammt.« Ich hasse den Gedanken, dass nicht ich es sein werde, der den Vergleich vornimmt, doch es geht in erster Linie darum, den Killer zu stoppen, wie ich Sean heute Morgen klar gemacht habe. »Gut. Das ist gut. Aber vielleicht sind die Röntgenaufnahmen nicht ausreichend. Er sollte Alginat-Abdrücke von Maliks gegenwärtigem Gebiss nehmen.«
»Das ist im Gerichtsbeschluss vermerkt. Wenn er Abdrücke benötigt, um die Identifikation vorzunehmen, bekommt er sie. Außerdem werden sie Malik eine Speichelprobe zur dna-Analyse abnehmen.«
Ich trete das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und der Audi beschleunigt auf hundert Meilen die Stunde. Selbst wenn ich den Vergleich nicht selbst vornehme, muss ich bei dieser Sache dabei sein. »Will das fbi immer noch mit mir reden?«
»Absolut. Special Agent Kaiser würde dich am liebsten auf der Stelle anrufen und über Malik befragen.«
»Ich bin bereit.«
»Sei ganz und gar aufrichtig zu ihm, Cat. Er ist zwar vom fbi, aber er ist einer von den Guten. Du kannst ihm vertrauen. Er war in Vietnam, wie dein Dad.«
Diese Ermahnung macht mich gereizt. »Absolut aufrichtig, sagst du? Also auch dann, wenn er mich nach dir und mir fragt …?«
»Du weißt, was ich meine, Cat. Wir reden später miteinander.«
Sean unterbricht das Gespräch. Weniger als eine Minute darauf leuchtet das Display erneut. Es ist Kaiser. Die Stimme des fbi-Mannes klingt dunkler als die von Sean, und sein Sprechrhythmus ist gemessener. Er bittet mich, meine Zeit in der Medical School und meine Kontakte zu Nathan Malik kurz zusammenzufassen. Ich gebe ihm einen knappe Schilderung, und er lässt mich reden, ohne mich zu unterbrechen.
»Also sind Sie ihm nur ein paar Mal begegnet«, schließt er, als ich fertig bin. »Und nie allein?«
»Das ist richtig. Das heißt, er hatte mich ein paar Mal in eine Ecke gedrängt in einem Nachbarraum, wenn wir uns auf einer Dinnerparty begegnet sind. Aber das war alles. Er hat sein Glück bei mir versucht, mehr nicht.«
»Was ist Ihnen an Besonderheiten im Gedächtnis geblieben?«
»Er hat nicht getrunken. Keinen Tropfen.«
»Warum erinnern Sie sich ausgerechnet daran?«
»Weil ich getrunken habe. Eine Menge. Wir alle haben getrunken. Nicht jedoch Malik. Er war der Beobachter-Typ. Arrogant und reserviert. Hat sich zurückgelehnt und über uns andere geurteilt, wissen Sie? Hinterrücks. Er kam zu mir, als ich schon betrunken war. Was mich überrascht hat, weil ich vorher eigentlich dachte, er wäre schwul.«
»Tatsächlich?« Kaiser zögert für einige Sekunden. Ichnehme an, er macht sich auf einem Block Notizen. »Und Sie haben ihn in New Orleans nie gesehen? Sie sind ihm nie begegnet? Weder im Supermarkt noch im Einkaufszentrum? Nichts dergleichen?«
»Nein. Daran würde ich mich bestimmt erinnern.«
»Haben Sie eine Vermutung, warum er seinen Namen geändert hat?«
»Nein. Woher kommt der Name Malik?«
»Malik ist der Mädchenname seiner Mutter.«
»Hm. Das ist ziemlich normal, schätze ich?«
»Bei Männern eigentlich nicht, nein«, antwortet Kaiser. »Aber es kommt vor.«
Der fbi Agent schweigt erneut. »Also, fassen wir zusammen. Nathan Malik, damals noch Jonathan Gentry, war mit dem Arzt befreundet, mit dem Sie eine Affäre hatten. Also sollte ich auch mit diesem Arzt sprechen.«
»Definitiv.«
»Können Sie mir seinen Namen buchstabieren?«
»Christopher Omartian. Er ist Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Ich glaube, er praktiziert heute in Mobile, Alabama.«
»Woher wissen Sie das?«
»Christopher hat mir vor ein paar Jahren einen Brief geschrieben.«
»Haben Sie geantwortet?«
»Ich habe ihn weggeworfen.«
Kaiser dankt mir für meine Zeit, merkt an, dass er mich vielleicht noch einmal anrufen wird, und will sich dann verabschieden.
»Agent Kaiser?«
»Ja?«
»Was ist mit den beiden weiblichen Verwandten der Opfer? Den Frauen, mit deren Hilfe Sie
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