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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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weiß, dass jetzt ein schlechter Moment ist … aber ich muss weg.«
    Er blinzelt verwirrt. »Weg?«
    »Ja.«
    »Du bist bereit, mit dem fbi zu reden?«
    »Nein. Ich fahre noch einmal nach Hause. Nach Natchez.«
    Er reibt sich die Augen wie jemand, der nach langem Schlaf aufwacht. »Wovon redest du da? Du bist doch gerade erst dort gewesen? Warum willst du schon wieder nach Natchez?«
    Der Versuch, einem betrunkenen Sean meine Beweggründe zu erklären, geht über das hinaus, womit ich mich im Augenblick befassen will. »Hör mal, ich werde im Augenblick nicht gebraucht. Ich muss nach Hause.«
    Er winkt ausladend. »Ich dachte, das hier wäre dein Zuhause?«
    »Ich muss herausfinden, was in diesem Zimmer passiert ist. Was in der Nacht passiert ist, als mein Vater starb.«
    »Aber du kannst jetzt nicht einfach fahren. Malik denkt, er hätte irgendeine Verbindung zu dir. Du bist wichtig für die Lösung des Falls.«
    Vor meinem geistigen Auge entsteht ein Bild des Psychiaters – eine schwarz gekleidete Gestalt, die einen Korridor entlangblickt wie ein besorgter Vater. »Wo ist Malik jetzt?«, frage ich. »Was steht in diesem Zeitungsartikel?«
    »Er wurde ins Orleans Parish Prison überführt. Er hat sich geweigert, der gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten. Die Picayune hat einen Artikel über seinen moralischen Standpunkt und seinen Widerstand gegen das fbi gebracht. Manche Leute halten Malik für einen Helden, weil er seine Patienten vor dem Staat schützt. Andere glauben, er selbst wäre der Killer oder würde den Killer zumindest schützen. Das Einzige, worin sich alle einig sind, ist die Tatsache, dass er die einzige gottverdammte Spur in dieser Geschichte ist.«
    Nichts von alledem kommt überraschend für mich. »Hör mal, ich habe getan, was Kaiser von mir wollte. Das ist alles, was ich im Augenblick tun kann. Ich bin Expertin für Gebissabdrücke, aber sie haben jemand anderen für diesen Job genommen. Ich kann nichts tun, das irgendetwas ändern würde. Ich bin fertig. Ich fahre nach Hause.«
    Sean schüttelt den Kopf, als könnte er dadurch nüchtern werden. »Gestern Abend hast du mich gefragt, ob ich für dich alles aufgeben könnte. Ich habe dir geantwortet, dass ich es könnte.«
    Ich nicke, doch ich sage nichts.
    »Nun … wir können jetzt zusammen sein. Auf der Stelle. Kein Warten mehr.«
    Ich habe seit über einem Jahr davon geträumt, dass er diese Worte irgendwann einmal zu mir sagen würde, doch jetzt, wo er sie ausgesprochen hat, empfinde ich nichts außer Traurigkeit. »Du hast deine Wahl nicht aus freien Stücken getroffen, Sean. Du wurdest erwischt. Das ist eine ganz andere Geschichte.«
    Er blickt mich ungläubig an. »Meinst du das ernst?«
    »Außerdem bist du betrunken. Du weißt nicht, wie du darüber denken wirst, sobald du erst wieder nüchtern bist. Soweit es mich betrifft, wäre es durchaus möglich, dass du Karen um Verzeihung anflehst und heute Nacht wieder bei dir zu Hause schläfst. Ich will mich nicht wie ein Miststück anhören, Sean, okay? Ich liebe dich. Aber ich habe etwas Wichtiges zu erledigen, und ich kann es nicht verschieben, nur weil du gestern Nacht erwischt worden bist.«
    »Du hörst dich wie ein Miststück an.«
    Mein Lachen ist ein kurzes, raues Bellen, das selbst mich überrascht. »Danke, dass du es mir leichter machst.«

21
    A ls ich vor Malmaison ankomme, finde ich das schmiedeeiserne Tor offen. Ist etwa eine Besichtigung im Gang? Doch es ist die falsche Jahreszeit dafür. Vorsichtig biege ich um die nicht einsehbaren Kurven der Straße, umrunde das Haus bis zur hinteren Zufahrt und steuere auf den großen Kiesplatz hinter den Sklavenquartieren und dem Rosengarten.
    Mutters Maxima, Pearlies blauer Cadillac und der Town Car meines Großvaters stehen hier. Außerdem ein Acura, den ich nicht kenne. Der Motor des Town Car läuft. Der Fahrer meines Großvaters sitzt hinter dem Steuer. Billy Neal macht keine Anstalten zu grüßen, sondern starrt mich mit eigenartiger Feindseligkeit an.
    Ich will gerade zu ihm gehen und fragen, was er für ein Problem mit mir hat, als Großvater durch das Spalier auf der Rückseite des Rosengartens kommt. Er trägt einen schicken Anzug aus der Fabrikation des Hongkonger Schneiders, der zweimal im Jahr durch Natchez kommt und in einem örtlichen Hotel die Maße nimmt. Der dunkle Stoff kontrastiert zu Großvaters silbernem Haar, und in der Brusttasche trägt er ein weißes Seidentaschentuch.
    Billy Neal steigt aus dem Lincoln

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