Bist du mein Kind? (German Edition)
neun Monate in meinem Bauch, ich habe ihn gestillt, die Nächte mit ihm durchgemacht, als er Koliken hatte. Ich habe seinen ersten Zahn gesehen, seine ersten Schritte erlebt, seine ersten Wörter. Zählt das alles nicht?“
„Doch sicher, zählt das. Aber er weiß da nichts von. Er erinnert sich nur an dieses Leben.
Vielleicht hat er, als er bei Euch war, so eine Ahnung im Bauch gehabt. Oder es hat Situationen gegeben, die er im Unterbewusstsein gespeichert hat und die ihm ein Gefühl der Vertrautheit vermittelt haben.
Aber erinnern kann er sich nicht. Er weiß nicht, wer ihr wirklich seid.
Im Moment ist er glücklich, dass ihr hier seid. Dass er so eine tolle Familie in Deutschland gefunden hat und dass sich hier eine deutsch-französische Freundschaft entwickelt. Lass es doch einfach so. Wie Auguste schon festgestellt hat.
Du weißt, dass er lebt, du weißt, dass es ihm gut geht. Und seine Eltern wissen nun Bescheid. So habt ihr doch eine Basis.
Versuche nicht, hier innerhalb von ein paarTagen alles zu erreichen, nachdem du fast zehn Jahre nicht gewusst hast, was mit ihm ist.“
Ich werde immer mutloser. Schließlich habe ich diese Reise angetreten, um meinen Sohn zumindest davon in Kenntnis zu setzen, wer er ist. Aber jetzt soll ich unverrichteter Dinge wieder abreisen?
„Ihr habt alle Recht, mit dem was ihr sagt. Mein Kopf versteht das auch. Aber mein Herz schreit. Ich weiß, dass ich alle diese Dinge, die ihr mir sagt, beachten muss.
Aber ich kann nicht. Ich bin immer ein emotionaler Mensch gewesen.
Die ganzen Jahre habe ich nur geschafft, ein halbwegs normales Leben zu führen, weil ich immer alles verdrängt habe. Und jetzt soll ich wieder alles verdrängen?
Jean-Marie, ich kann nicht. Ich muss es ihm sagen. Ich muss Maxi sagen, dass er mein Sohn ist. Ich will auch nicht mehr Laurent zu ihm sagen.
Ich will ihm sagen, wann er geboren wurde und wie seine Geburt war. Das alles kann ich nur, wenn ich jetzt nicht wieder verdränge“.
„Chérie, ich verstehe dich gut, jedoch hast du vorhin gesagt, dass du nochmal eine Nacht drüber schlafen willst und auch noch mit allen Erwachsenen reden willst. Beherzige das bitte und stürme jetzt nicht einfach los, wie das sonst so deine Art ist“.
Er kennt mich doch verdammt gut. Ich glaube, dass er viel mehr über mich weiß, als Wolfgang in all den Jahren. Wolfgang ist ein wunderbarer Ehemann und ein guter Vater.
Allerdings hat er immer seinen Kopf in einer anderen Welt. Die banalen Dinge des Lebens und die meisten Charaktereigenschaften seiner Mitmenschen bleiben ihm weitestgehend verborgen, weil er sich mit Programmierung beschäftigt, jedoch nicht mit allen Stufen der menschlichen Emotionen und Eigenarten.
Und wenn ich ihn darauf hinweise, dass ihm einiges entgeht, verweist er immer darauf, dass er für solch einen Quatsch ja mich hat.
Und Jean-Marie? Er kann in mir lesen, wie in einem offenen Buch. Er hat mich nur wenige Male intensiv erlebt und das immer in Extrem-Situationen und doch kennt er mich sehr genau. Kann man nicht mit beiden leben? Nein, kann man nicht. Ich weiß das.
Meine Gefühle für beide Männer fahren Achterbahn.
Und meine Gefühle für mein verlorenes Kind rauben mir im Moment den Verstand. Ich will einfach nur meinen Emotionen nachgeben. Und nicht auf meinen Verstand hören.
Ich bemerke, dass Jean-Marie mich forschend ansieht.
„Was denkst du gerade Chérie?“
„Ach, ich denke so vieles und alles so durcheinander. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Am liebsten wäre mir, ich wache jetzt auf, liege in meinem Bett und könnte zu Wolfgang sagen, dass ich einen totalen Quatsch geträumt habe, der bald zehn Jahre gedauert hat. Dann wäre alles gut.“
„Dann würden wir uns nicht kennen und nichts wäre gut“, sagt er ganz leise.
„Doch Jean-Marie, dann wäre wohl alles gut. Du hättest mich nicht kennen gelernt und hättest wahrscheinlich heute ein ganz normales Leben. Mit Frau und Kindern und dem ganzen Kram. Und du wärst kein einsamer Wolf, der einer Liebe nachtrauert, die nicht realisierbar ist.“
„Ich trauere nicht. Ich liebe dich und die Momente, die ich mit dir habe, müssen reichen. Das weiß ich.
Ich habe dir nicht einen Tag nachgetrauert, sondern immer mit Liebe an dich gedacht und habe jeden einzelnen Moment, in dem wir vertraut waren wieder und wieder genossen. So ist das. Ich bin kein trauriger Mensch“.
„Ich bewundere dich, dass du unsere ganze Geschichte so nehmen kannst. Ist nicht jeder
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