Bist du mein Kind? (German Edition)
doch egal wie ich aussehe. Mein Kind ist weg. Sollte das etwa mit Jean-Marie zu tun haben? Blödsinn. Meine Haare föhne ich wie immer.
Als ich ins Schlafzimmer komme, um mir frische Sachen anzuziehen, liegt Wolfgang auf dem Bett und schläft. Ich streichele seine Wange und spüre, wie sehr ich ihn liebe. Er sieht selbst im Schlaf angespannt und völlig erschöpft aus. Mein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es inzwischen sieben Uhr ist. Ich decke Wolfgang zu und gehe zurück in die Küche.
Am Tisch sitzt Phillipe Leroc. Sein durchdringender Blick klebt an mir. Ich begrüße ihn und frage, ob jemand Brot holen kann. Jean sagt:
„Das ist nicht nötig. Ich hatte doch Croissants mitgebracht und Marie kommt mit dem Rest. Wir kochen nur einen Pott Kaffee.“
Jetzt erst fällt mir auf, dass Jean-Marie in der Küche hantiert. Victor steht auf und geht Richtung Haustür. Marie steht davor.
Kann Victor durch Wände sehen? Oder sind hier alle in einer symbiotischen Beziehung miteinander verbunden?
Marie hat auch noch einen Korb voller Croissants auf dem Tablett, mehrere Gläser Marmelade und einen Klumpen Butter in einer Schüssel. Außerdem noch zwei Krüge Milch.
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Der Körper fordert offensichtlich doch sein Recht.
Jean-Marie stellt Schalen auf den Tisch. Alle setzen sich. Ich denke an Wolfgang. Soll er essen oder soll ich ihn schlafen lassen?
Der Duft der Croissants lenkt mich ab. Alle greifen herzhaft zu. Sogar Madame de la Psychologie hört auf zu schreiben und setzt sich zu uns.
Ausgerechnet Jean-Marie setzt sich auf den freien Stuhl neben mir. Ich sehe ihn herausfordernd an. Ihn beeindruckt das nicht. Er nimmt die Kaffekanne, füllt zur Hälfte meine Schale und gießt die Schale dann mit Milch voll. Milchkaffee aus Salatschüsselchen? Egal, schmeckt auch.
Seine Hand streift meinen Arm, als er den Milchkrug zurück stellt.
„Madame“, eröffnet Phillipe die Runde. „Wir haben den Eigentümer des Eiswagens gefunden. Als wir seine Wohnung gestürmt haben, saß er seelenruhig vor dem Fernseher. Er war sichtlich erschrocken und verstand nicht, was wir von ihm wollten.
Wir haben ihn die ganze Nacht verhört. Er behauptet, ihm sei der Wagen gestohlen worden.
Bis wir ihn verhaftet haben, hatte er allerdings gar nicht gemerkt, dass der Wagen weg war.
Wir haben seine Angaben geprüft. Für die Tatzeit hat er ein wasserdichtes Alibi. Er war beim Arzt. Über zwei Stunden. Soweit ist er glaubwürdig. Die Tatsache, dass er den Verlust seines Eiswagens nicht bemerkt hat, erklärt er so: Er habe den Eiswagen an seinem Eiscafé stehen gelassen, das mache er immer so. Dann sei er zu Fuß nach Hause gegangen. Dort habe er sich frisch gemacht und sei dann mit seinem Privatwagen zum Arzt gefahren.
Wir überprüfen gerade die Zeiten und Entfernungen. Aber es klingt schon glaubwürdig, was er sagt“.
„Wollen Sie damit sagen, dass wir weiterhing keine Spur von meinem Sohn haben? Und dass dieser Eisverkäufer unschuldig ist?“
„Moment, Madame. Es ist durchaus möglich, dass er in der Sache mit drin hängt. Wir verdächtigen ihn nach wie vor. Zumal er am Vortag der Entführung Kontakt mit Ihnen hatte.
Es wird allerdings schwierig werden, ihm das zu beweisen“.
Ich halte meine Kaffeeschüssel fest in der Hand. Mein Gott, ich halte mich an der Kaffeeschüssel fest. Weil ich das Gefühl habe, dass ich sonst den Halt verliere.
„Warum rufen die Entführer nicht an?“ will ich von Inspektor Leroc wissen.
Er sieht mich an und zögert.
„Momentan habe ich keine Erklärung dafür, aber die Anzeichen verdichten sich immer mehr, dass es hier ähnlich läuft, wie bei Giselle. Nach unseren Erfahrungen melden sich die meisten Entführer innerhalb von 24 Stunden. Dann kann man mit ihnen in Verhandlungen eintreten oder auch nicht. Meistens setzen sie eine Frist zur Beschaffung des Geldes und melden sich dann nochmal wegen der Übergabebedingungen. Da diese 24 Stunden noch nicht um sind, besteht noch Hoffnung. Es tut mir leid, Monique, aber wir können im Moment nur abwarten. Ich weiß, dass das sehr zermürbend ist und es tut mir furchtbar leid für euch. Wir werden alle hierbleiben, um euch beizustehen“.
Wolfgang fragt mich:
„ Kannst du das aushalten mit all den vielen Menschen hier, die wir überhaupt nicht kennen? Mir fällt das zunehmend schwerer.“
Ich hatte ihn gar nicht gehört. Er steht in der Schlafzimmertür und sieht schrecklich aus. Vollkommen erschöpft und
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