Bist du mein Kind? (German Edition)
Schwarz, eine Wand aus Dunkelheit.
Als wir im Präsidium ankommen, erwartet uns Chloé. Sie umarmt mich und drückt mich an sich.
„Es tut mir so leid“, murmelt sie. Ich kann nichts antworten.
Wir sitzen in Romains Büro. Ich warte auf die Vorwürfe, die ich jetzt hören werde.
„Also, zuerst einmal: Wir machen Ihnen keine Vorwürfe, weil passiert ist, was eben passiert ist. Es war allein meine Schuld, dass ich zugelassen habe, Sie mitzunehmen. Ich habe unterschätzt, dass Sie eine Mutter sind, die Höllenqualen leidet. Und ich habe gedacht, wir ziehen unser Ding durch. Dass Sie es nicht aushalten können, über den Kopfhörer zu hören, was gesprochen wird, habe ich einfach nicht durchdacht. Ich entschuldige mich bei Ihnen und sage Ihnen von ganzem Herzen, dass es mir sehr leid tut, was passiert ist.“
So viel habe ich Romain noch nicht reden gehört, seit wir hier angekommen sind.
Jean-Marie und Phillipe nicken zustimmend.
„Wir waren einfach zu sehr darauf versessen, diese Bande zu zerschlagen, als dass wir an Dich und Deine Qual gedacht haben.“ Phillipe sieht mich an und streicht über meinen Arm.
Ich bin erstaunt. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit Entschuldigungen dafür, dass ich die Ermittlungen zunichte gemacht habe.
Jean-Marie stellt sich hinter mich und massiert mir die Schultern. Ich lasse es geschehen, ohne etwas zu spüren. Diesmal bin ich froh. Ich erinnere mich genau, dass er zwiespältige Gefühle in mir auslöst. In diesem Moment bin ich froh, dass die Medikamente noch nachwirken.
„Nun denn“, räuspert sich Romain, „fangen wir an. Wir haben einige Spuren verfolgt und einige andere Dinge unternommen. Wir ersparen Ihnen und uns die Einzelheiten. Die Spur der Kinder verliert sich in Ungarn.
Wir werden weiter ermitteln. Aber inzwischen arbeiten wir mit den deutschen, österreichischen und ungarischen Behörden zusammen. Außerdem ist Interpol eingeschaltet. Daher wird es schwierig und vor allen Dingen sind inzwischen die Wege lang.
Die Informationen kommen sozusagen nur noch tröpfchenweise hier an.“
Ich muss schlucken.
Ungarn. Wieso Ungarn?
Ein Land, zu dem wir gar keinen Bezug haben. Wie sollen wir da Maxi finden? Ich denke, aber ich denke auch nicht. Mir fehlen die Worte. Aber ich spüre ganz von hinten ein Gefühl der Verzweiflung. Gut. Nein. Oder doch?
„Das heißt, wir haben ihn verloren?“ flüstere ich.
Die Antwort lässt auf sich warten. Dann löst sich Chloé aus der Starre. Sie kniet sich vor mich und nimmt meine Hände in ihre.
„Hör zu, für den Moment sieht es so aus, als hättest du dein Kind verloren. Aber gib niemals die Hoffnung auf. Wir werden fieberhaft weiter nach den Kindern suchen. Es ist nur schwieriger geworden, weil so viele Länder dazwischen liegen. Hier wäre es einfacher gewesen. Aber Jean-Marie hat Kontakte und wir auch. Die Suche läuft.
Wir brauchen nur mehr Zeit. Mach dir keine Vorwürfe. Wer weiß, ob alles anders gelaufen wäre, wenn du nicht dabei gewesen wärst. Diesmal sieht es so aus, als arbeitet die Organisation von Girardeaut in eine andere Richtung als früher. Also steht alles in den Sternen.
Nimm deine Kraft für deine Familie. Wir machen hier unsere Arbeit und halten euch auf dem Laufenden.“
Ich drücke ihre Hände und bin sogar für einen Moment dankbar. Also gut, zurück zu Wolfgang und Timo und Leon. Ich bin bereit, mich ihnen zu stellen.
„Jean-Marie wird dich im Hubschrauber mitnehmen. Ich habe hier noch ein paar Tage zu tun. Dann komme ich nach. Könnt ihr noch etwas in Le Guerno bleiben oder müsst ihr zurück nach Köln?“ Phillipe spricht aufrichtig und ruhig mit mir. Vielleicht ist er ja doch nicht so unsympathisch, wie ich zuerst dachte.
Ich nicke. „Wir bleiben so lange, wie es nötig ist“, antworte ich.
„Gut, dann gehen wir“, sagt Jean-Marie und nimmt mich an der Hand.
Auf dem Weg zum Hubschrauber reden wir kein Wort. Auch im Hubschrauber herrscht Schweigen.
Als wir gelandet sind, steigt Jean-Marie vor mir aus. Er reicht mir die Hand, um mir beim Aussteigen zu helfen und da schlägt es wie der Blitz ein. Schlagartig ist das bekannte Gefühl für ihn wieder da. Mit einer solchen Wucht, dass ich befürchte, er könne es bemerken. Aber er verhält sich ganz normal.
„Ich würde gerne noch mit dir reden. Können wir irgendwo einkehren? Oder hast du Hunger?“
„Wir können gerne einen Kaffee trinken gehen, Hunger habe ich keinen. Ich bin froh, das Wiedersehen mit meiner
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