Bist du mein Kind? (German Edition)
nicht vorstellen. Ich weiß nur, dass wir uns nicht zerfleischen sollen. Du und ich, wir tragen beide die gleiche Schuld an allem, was hier geschehen ist. Lass uns zusammenhalten und unseren anderen beiden Kindern gute Eltern sein. Später können wir überlegen, was wir weiter unternehmen. Frederic hat gesagt, wir sollen zum essen kommen, er kann es nicht länger warm halten.“
Wolfgang hält mich ganz fest und sagt ganz leise:
„Ich bin am Ende“.
Ich halte ihn ebenso fest und denke das Gleiche über mich. Dann stehen wir auf und gehen zum Essen.
Nach dem Essen, was wohl wieder köstlich war, legen wir Timo ein wenig hin. Sobald er eingeschlafen ist, macht Leon uns den Vorschlag, unbedingt mit ihm Mau Mau zu spielen.
Eigentlich wollen wir beide nicht mehr, aber da genug Chaos in unserem Leben herrscht, denke ich, dass uns ein wenig „Normalität“ nicht schaden könnte. Ich schaue zu Wolfgang, er nickt und wir spielen mit Leon Mau Mau.
Später, am Abend, als Leon im Bett liegt, sind wir allein. Eine schwierige Situation, die es zu bewältigen gilt. Wolfgang gießt sich ein Glas Rotwein ein und blickt mich auffordernd an. Ich schüttele den Kopf, die Medikamente haben mir genug zugesetzt, ich möchte jetzt einen klaren Kopf behalten.
Als Wolfgang sich zu mir an den Tisch setzt, klopft mein Herz, weil ich nicht weiß, was nun kommt. Erwartungsvoll falte ich die Hände und sehe ihn an. Er trinkt einen großen Schluck Rotwein, stützt sein Kinn auf die Hände und weint.
Ich tue es ihm gleich.
2001 Mai Tag 11 in Frankreich
Ich wache auf, als es fast noch dunkel ist. Neben mir liegt Wolfgang und schläft. Zwischen uns hat sich Leon eingerollt. Wir hatten ihn am Abend wieder in unser Bett gebracht, weil er nicht im Kinderzimmer schlafen will. Das ist seine einzige Reaktion auf Maxis Entführung. Er hat, seit ich zurück bin aus Belgien, mit keinem Wort die Ereignisse erwähnt, geschweige denn nach Maxi gefragt.
Ich muss mich später mit ihm beschäftigen, damit ich herausfinden kann, wie es ihm eigentlich geht. Letztlich bin ich immer noch Mutter und verantwortlich für meine beiden anderen Kinder. Und ich will nicht wieder versagen.
Meine Gefühle fahren Achterbahn. Ich liege im halbdunklen Zimmer und denke nach. Was wäre, wenn ich nicht blind und rasend versucht hätte, die alte Villa zu stürmen? Wäre Maxi dann bei uns? Oder hatte Chloé Recht, als sie sagte, dass diesmal alles anders verlaufen wäre und ich Maxi sowieso nicht hätte retten können.
Was tun die jetzt meinem Kind an? Das ist der schlimmste Gedanke. Mein Magen zieht sich zusammen, mein Herz tut weh, ich spüre eine Faust, die meine Kehle zuschnürt. Mir wird schlecht. Wie werde ich bloß damit fertig, dass ich mein Kind in die Hände von Kinderschändern der allerschlimmsten Sorte getrieben habe?
Ich wünsche mir das Medikament zurück, weil ich meine Gefühle fast nicht aushalten kann.
Um einen klaren Kopf zu bekommen, beschließe ich, duschen zu gehen. Als ich mich gerade erheben will, fängt Leon im Schlaf an zu stöhnen. Erschrocken bleibe ich liegen
Er wälzt sich hin und her. Kleine Fäuste schlagen in die Luft. Seine Zähne knirschen so laut, dass ich befürchte, Timo könnte davon aufwachen. Schnell nehme will ich ihn in den Arm nehmen. Aber er fängt an zu schreien und schlägt wild um sich. Also streichele ich nur seine Wange und versuche beruhigend auf ihn einzureden.
„Sch, Liebling, alles ist gut. Ich bin bei dir. Deine Mama ist hier. Beruhige dich.“
Er fängt an zu weinen. In der Zwischenzeit ist auch Wolfgang von der Unruhe aufgewacht.
Schlaftrunken blickt er auf Leon und mich.
Ich bin hilflos und weiß nicht, was ich tun soll.
„Weck ihn auf“, flüstert mein Mann. Okay, ich werde mein Kind aufwecken, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das richtig ist. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Menschen in ihren Träumen schlimme Erlebnisse verarbeiten und dass man sie deswegen nicht wecken soll.
Ach, ich bin so hilflos. Was ist nur das Richtige? Wie kann ich meine Familie retten?
Inzwischen hat Wolfgang mein Zögern satt und packt Leon in seine Arme. Er rüttelt ihn sanft und küsst ihm das kleine nasse Gesicht.
„Aufwachen Schatz, wach‘ auf, alles ist gut. Du bist in Sicherheit, dir passiert hier nichts“.
Wie Beschwörungsformeln spricht er diese Worte und tatsächlich, Leon wacht auf. Er ist benommen und sieht hilflos umher.
„Ist Maxi schon wieder entführt worden?“ fragt er.
Mir wird es
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