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Bist du mein Kind? (German Edition)

Bist du mein Kind? (German Edition)

Titel: Bist du mein Kind? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilda Laske
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dann doch mal nach oben in sein Zimmer gegangen. Timo krabbelt im Wohnzimmer über den Boden zum Erker. Dort setzt er sich auf seinen Windelpopo und beobachtet die Vögel im Garten.
    Wolfgang und ich sitzen am Tisch. Keiner sagt ein Wort.
    Wir wissen, dass wir die Sachen auspacken müssen. Dass wir irgendwann nach oben müssen.
    Dass dort Maxis Zimmer ist. Wie sollen wir das schaffen?
    Wolfgang schaut mich an.

    „Und? Schaffen wir’s?“
    „Wir müssen ja. Aber lass mich erst die Küche aufräumen. Und die Kiste mit den Küchensachen packe ich zuerst aus. Das gibt uns noch etwas Zeit.“
    Er nickt.
    Während er die „Küchenkiste“ holt, räume ich schnell das Geschirr in die Spülmaschine und schmeiße die Pizzakartons in den Müll.
    Anschließend räumen wir gemeinsam alle Sachen in die Schränke, von denen wir glaubten, dass man sie in Frankreich nicht kaufen kann.
    Und als fast alles verstaut ist, liegt am Boden dieser Kiste eine Tüte Weingummi. Bunte Hasen und Eier. Die hatte sich Maxi seit Ostern verwahrt und wollte sie unbedingt mit nach Frankreich nehmen, „Mama, weil es das in Frankreich bestimmt nicht gibt. Dann kann ich jeden Abend mit Leon etwas naschen. Als Betthupferl. Ach bitte Mama, darf ich?“
    Und ich wollte es erst verbieten. Aber weil er mich so flehend angesehen hat, habe ich dann nachgegeben. In Frankreich hat kein Mensch mehr an diese Tüte gedacht und er hat sie gar nicht geöffnet.
    Ich greife nach der Tüte und sehe, dass meine Hand zittert. Diese Tüte drücke ich an meine Brust, weil schon wieder der Kloß da ist.
    Niemand soll es wagen, jemals diese Tüte anzubrechen. Sie bleibt liegen, bis wir Maxi wieder bei uns haben. Und dann darf er meinetwegen alle Weingummis auf einmal essen.
    Ich drücke die Tränen runter, denn Wolfgang steht vor mir und mir fallen Bines Worte wieder ein.
    „Tragen wir die Sachen nach oben?“ fragt er. Seine Stimme klingt brüchig. Ich nicke und packe die Weingummis in meinen Küchenschrank in eine Schüssel. Damit sie nicht in der Süßigkeitenkiste verschwindet und doch gegessen wird.
    Jeder nimmt eine Tasche und wir vergessen fast, dass Timo noch im Erker sitzt. Im letzten Moment drehe ich mich um und nehme ihn auf den Arm.
    Wir steigen die Treppe hinauf.
    Langsam.
    Als würde oben das Grauen auf uns warten.
    Aber genau das ist es ja. Oben wartet das Grauen auf uns. Wir müssen Maxis Zimmer aushalten.
    Die letzte Stufe. Sein Zimmer liegt genau gegenüber der Treppe. Die Diele ist groß und halbrund.
    Sechs Türen führen in verschiedene Zimmer. Die Kinderzimmer sind größer als unser Schlafzimmer und Maxi wollte sein Zimmer unbedingt zwischen Leon und Timo haben.
    „Weil man dann ganz schnell zu beiden Geschwistern gehen kann“. Als wir eingezogen sind, war ich schwanger und 2 Wochen später wurde Timo geboren.
    Die Tür zu seinem Zimmer steht weit auf.
    Das ist normal bei uns. Nur die Türen der Bäder sind geschlossen. Alle anderen Räume haben zwar Türen, aber die werden so gut wie nie geschlossen.
    Wir haben freien Blick auf seinen Kleiderschrank.
    Ich kann nicht. Ich kann nicht hineinsehen. Und schon gar nicht das Zimmer betreten.
    Wolfgang fühlt genau so, das sehe ich ihm an.
    An Bines Worte denkend, schlage ich ihm vor, die Tasche im Schlafzimmer auf unser Bett zu stellen.
    Er wendet sich sofort nach links und tut genau das. Dann nimmt er mir Timo aus dem Arm und verschwindet mit ihm in Leons Zimmer.

    „Na, was spielst du, Großer?“ fragt er. Seine Stimme klingt zittrig.
    Ich setze mich aufs Bett.
    Alleine mit meinen Gedanken.
    Allein mit meinen Gefühlen.
    Allein mit den Reisetaschen, die ich nun unweigerlich auspacken muss.
    Ich reiße mich zusammen. Kopf schütteln, Gedanken zusammenfassen und verdrängen.
    Ich öffne die erste Tasche.
    Schmutzwäsche in die Kleiderkammer, Badsachen ins Bad.
    Im Bad sehe ich zuerst Maxis Zahnputzsachen. Blauer Becher, seine Kinderzahnbürste und die total zerquetsche Zahnpastatube. Hundert Mal habe ich ihm gesagt, dass er sie von unten nach oben leer machen soll. Aber immer wieder hat er sie zerquetscht. Ich schlucke. Es hat so überhaupt keine Bedeutung mehr. Jetzt sehe ich nur seine kleinen Hände, die die Tube zerquetschen und wünsche mir, er möge noch hunderte Tuben zermalmen.
    Tränen steigen auf.
    Ich setze mich auf den Rand der Badewanne und starre auf seinen Becher samt Inhalt.
    Da ist er wieder, der Schrei. Er will raus. Aber ich kann ihn nicht lassen. Ich habe zwei Kinder und einen

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