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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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unzureichende Indizien. Kann mich ganz einfach nicht entscheiden. Erste Eindrücke ausnahmslos dürftig. Weißer, ja. Herkunftsland? Such dir eins aus. Irgendwo zwischen Kaspischem Meer und Gibraltar, Zypern und Malta inbegriffen. Kann ich’s nicht ein bißchen genauer festlegen? Sicher. Er hat einen hundertzehnprozentig britischen Akzent. Einziger anderer Bursche mit einem Akzent wie diesem, dem ich je begegnet bin, ist ein Armenier mit libanesischem Paß, der bei UNESCO arbeitet und die English High School in Istanbul besuchte, bevor er an der Sorbonne studierte. Hat ebenfalls braune Augen. Sehr hilfreich. Sei genauer. Alter: Mitte Fünfzig, möglicherweise jünger. Schwer zu sagen. Größe: fünf Zentimeter kleiner als ich, sagen wir eins achtundsiebzig. Sieht aus wie Eigengewichtbeobachter, Höhensonnenbenutzer, Träger von stahlgrauem Toupet. Könnte mit bißchen Nachhilfe seitens der Phantasie auch nach alterndem Filmschauspieler aussehen, der es nie wirklich geschafft hat, ganz nach oben zu kommen, der aber rechtzeitig ausgestiegen ist, mit noch intakter Selbstachtung und intakten Kapitalanlagen, um im kalifornischen Grundstückshandel Erfolg zu haben. Verdammt, ich weiß es nicht. Kann auch sein, daß der, den ich vor mir sehe, ein Meistergauner im Ruhestand ist, der jetzt seinen Spaß daran hat, in die Aufgeblasenheit akademischer Clowns wie wir hineinzustechen. Könnte sein. Er hat Krom bereits gepikst, und Henson hat sich ganz tüchtig beuteln lassen müssen; wenngleich sie sich das schließlich selber zuzuschreiben hat. Vielleicht ist er, wie Old Krom in Amsterdam sagen wollte, ehe diese Vorstellung durch den schieren Schreck, der ihn darob packte, ausgelöscht wurde, vielleicht ist er gar nicht Firman, sondern ein doubelnder Ersatzmann. Oh, nein, vergiß es. Dieser Bursche ist kein Double; er spricht seinen Text gut. Weißt du was, Connell? Solange er ein abgeleitetes theoretisches Phantom in der Oper war, ein begriffliches Wonnepaket, das im Kropf des Establishments steckte, hast du hundertprozentig an die Existenz von Mr. X geglaubt. Jetzt, konfrontiert mit einer Person, die sagt, sie sei Mr. X, kneifst du auf einmal. Du sagst: ›Der? Unmöglich. Er sieht ja aus wie ein Mensch!‹ Was hast du erwartet? Bela Lugosi? Den Mann in der eisernen Maske? Oder hast du über diese Seite der Angelegenheit noch nie nachgedacht? Ah, schon gut, du bist jetzt müde. Wie wär’s also mit einer Dusche und einem frischen Hemd? Dann heißt es nur noch wach sein und warten. Okay? Okay. Mehr in Bälde.«
    Danach drang aus keinem der Empfänger mehr ein Laut. Nach ein paar Sekunden schaltete Yves sie und unsere eigenen Bandaufnahmegeräte auf ›Akustomatik‹ um.
    »Ein Mann, der die Augen offenhält«, kommentierte er.
    »In bezug auf Sie oder in bezug auf mich?«
    »In bezug auf uns beide, fand ich. Und die Frau ist sogar noch gefährlicher. Patron, ich glaube, wir tun jetzt genau das, wovon Sie immer gesagt haben, daß wir es unter keinen Umständen jemals tun sollten.«
    »Ich habe gesagt, daß wir vieles nicht tun sollten.« Sein Trübsinn begann mich zu deprimieren.
    »Aber insbesondere haben Sie gesagt, daß wir niemals auf die Straße hinaustreten sollten, ohne zuvor nach oben gelinst zu haben, ob die Frau im Stockwerk darüber sich anschickt, einen Nachttopf auszuleeren.«
    »Ich habe nie etwas derart Ordinäres gesagt. Ich habe einmal gesagt, daß man in gewissen Straßen stets sorgsam darauf achten soll, wohin man tritt.«
    »Läuft doch aufs gleiche hinaus, Patron. Wenn man nicht aufpaßt, landet man in der Scheiße, so oder so. Ich denke, das ist es womöglich, worin wir jetzt stecken, und ich wüßte gern, warum.«
    »Später, Yves«, sagte ich. »Später vielleicht.«
    Es hatte keinen Sinn, seine Befürchtungen zu bestätigen, bevor es unumgänglich wurde, das zu tun.

    Wir speisten auf der Terrasse zu Abend.
    Ich persönlich esse zu keiner Zeit gern im Freien, selbst wenn keine Insekten da sind, die einen plagen; aber es war ein sehr warmer Abend, und, wie Melanie gesagt hatte, mit sechs Personen am Tisch und obendrein der Schwägerin der Köchin, die ihrem Bruder beim Servieren half, würden ein paar Nachtfalter weniger Unbehagen verursachen als der Körpergeruch der Bediensteten in einem geschlossenen Raum.
    Unsere drei Gäste, von Melanie instruiert, daß lässigste Bekleidung de rigueur sei, hatten beschlossen, sie beim Wort zu nehmen. Der weißhaarige Krom sah in einer verwaschenen blauen Hose und

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