Bitter Love
Das war ja die reinste Orgie. Jedenfalls enorm kuschlig.«
»Uns begrapscht? Wir haben doch … Mein Gott … spionierst du mir jetzt hinterher?« Ich dachte an Georgia, die gesagt hatte, sie fände es irgendwie unheimlich, dass Cole den ganzen Abend über dahockte und mir zuschaute. Und mir fiel das Auto wieder ein, das gestern, als Zack den Parkplatz verlassen hatte, langsam hinter ihm hergefahren war.
Cole riss so heftig an meinem Handgelenk, dass es mir den Atem verschlug. »Lüg mich nicht an, Alex!«, knurrte er in mein Gesicht. »Ich hab euch doch gesehen! Unddann seid ihr auch noch zusammen bei ihm aus dem Haus gekommen – er hat dich abends nach Hause gebracht.«
Beim letzten Wort löste er den Griff um mein Handgelenk, rammte es mir aber gleichzeitig mit voller Wucht in den Bauch. Meine Hand war wieder frei, aber das verschaffte mir keine Erleichterung, denn jetzt taumelte ich zurück, stolperte über meinen Stuhl und knallte hart mit der Hüfte auf den Boden. Ich war so perplex, dass ich mich nicht mehr rühren konnte. Mein Handgelenk und meine Hüfte taten höllisch weh.
Er stand jetzt über mir, mit bebenden Nasenflügeln und schwer atmend wie ein Tier. Ich rappelte mich hoch auf die Knie, was nicht leicht war mit nur einer Hand und einer Hüfte, die ich vor Schmerz kaum bewegen konnte. Ich brachte keinen Ton heraus. Auch meine Tränen waren auf einmal versiegt.
»Reicht wohl nicht, dass ich mit Brenda klarkommen muss, was, Alex? Ist noch nicht schlimm genug, dass ich zu Hause bleiben und mich um diese Scheiße kümmern muss! Sondern du nutzt auch noch die erstbeste Gelegenheit ohne mich und betrügst mich mit diesem Vollidioten von nebenan.«
Ich versuchte immer noch, auf die Füße zu kommen, da packte er plötzlich meine Haare und riss mich nach oben. Ich schrie auf. Irgendwie stand ich jetzt und spürte in diesem Augenblick nicht einmal mehr meine Hüfte und das Handgelenk – der Schmerz am Kopf war einfach stärker. Einzelne Haare rissen mit der Wurzel aus der Kopfhaut. Ich zitterte jetzt so sehr, dass ich mich fragte, ob ich überhaupt stehen bleiben würde, wenn ermich plötzlich losließ. Das hier war viel schlimmer als ein paar Fingerabdrücke am Knie. Es machte mir Angst.
Er zog mein Gesicht dicht an seines heran. »Du verarschst mich nicht mehr, Alex«, knurrte er mit einer Stimme, die ich noch nie zuvor gehört hatte. »Dafür bist du sowieso zu blöd. Ich erwisch dich. Und zwar jedes – verdammte – Mal.«
»Okay«, winselte ich und hielt mir die Hände über den Kopf, um zu verhindern, dass er mir noch mehr Haare ausriss. Ich hätte Cole gern erklärt, dass ich nicht mit Zack rumgemacht, sondern nur versucht hatte, meine Freunde davon zu überzeugen, dass er ein netter Mensch war. Aber ich hatte Angst, dass er mir noch mehr wehtun würde, wenn ich mich wehrte, also nickte ich nur, soweit sein Griff das zuließ, und sagte: »Okay.«
Mit einem letzten Schubser ließ er mich los und ging wieder auf seine Seite vom Tisch. Er nahm seinen Rucksack und schlang ihn lässig über eine Schulter, genauso ruhig wie an jedem anderen Tag. Währenddessen rieb ich mir den Kopf dort, wo er mich an den Haaren gerissen hatte. Meine Knie zitterten so sehr, dass es mich Anstrengung kostete, aufrecht stehen zu bleiben. Verzweifelt versuchte ich zu begreifen, was passiert war. Es war alles so schnell gegangen, dass es mir fast vorkam, als hätte ich es mir nur eingebildet.
Mit dem Rucksack auf dem Rücken fand Cole seine Stimme wieder. Er klang jetzt ganz normal, da war nichts mehr von diesem aggressiven Knurren. Stattdessen wirkte er erschöpft, müde und still.
»Wir reden später«, sagte er. Er kam zu mir, nahmmein Kinn behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger, hob mein Gesicht und küsste mich. »Ich liebe dich«, sagte er auf dem Weg zur Tür. »Und ich lass mich von dir nicht verarschen.«
Er schlüpfte durch die Tür und schloss sie leise hinter sich – und plötzlich war ich allein.
Und da spürte ich den Schmerz mit voller Wucht.
Mein Handgelenk.
Meine Hüfte.
Mein Kopf.
Mein Nacken.
Doch nichts von alledem schmerzte so sehr wie mein Herz.
Wie konnte das der Junge sein, dessen Hand beim Gitarrespielen so sanft auf meiner gelegen hatte? Der Junge, der aus meinem Gedicht einen Song gemacht hatte? War das wirklich der gleiche Mensch wie der, dem ich mich oben auf der Mauer vom Überlaufbecken anvertraut hatte? Der auf dem Bett in seinem Zimmer meine Augenlider
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