Bitter Süsse Tode
war das schöne Kind, vollkommen und unbeschädigt. Keinerlei Makel. »Sie sehen wieder makellos aus. Warum?«
»Weil ich Kraft aufwende, um es so aussehen zu lassen. Ich muss daran arbeiten.« Sie klang leise und warm, nach einer sich aufbauenden Hitze wie von fernen Gewittern.
Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Etwas Schlimmes stand kurz bevor.
»Jean-Claude hat seine Anhänger, Anita. Wenn ich ihn töte, werden sie einen Märtyrer aus ihm machen. Aber wenn ich ihn schwach und machtlos dastehen lasse, fallen sie von ihm ab und folgen mir oder sie folgen niemandem.«
Sie stand auf, das Kleid wieder bis oben hin zugeknöpft. Ihr weißes Baumwollhaar schien sich im Wind zu bewegen, nur dass da kein Wind war. »Ich werde etwas zerstören, was unter seinem Schutz gestanden hat.«
Wie schnell bekäme ich das Messer am Fußgelenk zu fassen? Und was würde es mir nützen?
»Ich werde allen zeigen, dass Jean-Claude niemanden schützen kann. Ich bin der Meister aller.«
Egozentrisches Miststück. Winter packte meinen Arm, ehe ich etwas tun konnte. War zu sehr mit den Vampiren beschäftigt gewesen, um die Menschen noch wahrzunehmen.
»Geht«, befahl sie. »Tötet ihn.«
Aubrey und Valentine lösten sich von der Wand und verbeugten sich. Dann waren sie verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Ich sah Nikolaos an.
Sie lächelte. »Ja, ich habe Ihren Verstand vernebelt, und Sie haben sie nicht hinausgehen sehen.«
»Wohin gehen sie?« Mein Magen war ein harter Klumpen. Ich glaubte, die Antwort schon zu kennen.
»Jean-Claude hat Philip Schutz gewährt; darum muss er sterben.«
»Nein.«
Nikolaos lächelte. »Aber ja.«
Ein Schrei schoss durch den Korridor. Der Schrei eines Mannes. Philips Schrei.
»Nein!« Ich fiel halb auf die Knie nur Winters Hand verhinderte, dass ich zu Boden stürzte. Ich gab vor ohnmächtig zu werden und erschlaffte in seinem Griff. Er ließ mich los. Ich zog das Messer aus der Beinscheide. Winter und ich befanden uns dicht am Gang, weit von Nikolaos und ihrem Diener entfernt. Vielleicht weit genug.
Winter heftete den Blick auf sie, als wartete er auf Befehle. Ich fuhr vom Boden hoch und stieß ihm das Messer in die Leiste. Das Blut strömte, als ich die Klinge wieder herauszog und auf den Gang zuhetzte.
Ich war an der Tür, als der erste Windhauch meinen Rücken streifte. Ich blickte nicht zurück. Ich öffnete die Tür.
Philip hing in den Ketten. Eine hellrote Flut rann ihm die Brust hinab. Sie tropfte auf den Boden wie Regen. Fackellicht glänzte auf dem nassen Knochen seiner Wirbelsäule. Jemand hatte ihm die Kehle herausgerissen.
Ich taumelte gegen die Wand, als hätte mich jemand geschlagen. Ich bekam nicht genug Luft. Jemand flüsterte in einem fort: oh, Gott, oh, Gott, und das war ich. Ich ging mit dem Rücken an die Wand gedrückt die Treppe hinunter. Ich konnte die Augen nicht von ihm nehmen. Konnte nicht wegsehen. Konnte nicht atmen. Nicht schreien.
Das Licht spiegelte sich in seinen Augen, erzeugte die Illusion von Bewegung. Ein Schrei bildete sich in meinem Inneren und drängte durch meine Kehle. »Philip!«
Aubrey trat zwischen uns. Er war voller Blut. »Ich freue mich schon darauf, deine Freundin, die schöne Catherine, zu besuchen.«
Ich wollte mich schreiend auf ihn stürzen. Stattdessen lehnte ich mich an die Wand, das Messer an meiner Seite, unbemerkt. Das Ziel war nicht mehr, lebend herauszukommen. Das Ziel war, Aubrey zu töten.
»Du Hurensohn, du beschissener Sohn einer Hure.« Ich hörte mich völlig ruhig an, ohne jegliches Gefühl. Ich hatte keine Angst. Ich fühlte überhaupt nichts.
Durch eine Maske aus Philips Blut sah mich Aubrey böse an. »Sagen Sie nicht solche Dinge zu mir.«
»Du hässliches, stinkendes, dreckiges Arschloch.«
Er glitt auf mich zu, genau wie ich es gewollt hatte. Er fasste mich an der Schulter. Ich kreischte ihm ins Gesicht so laut ich konnte. Er zögerte für einen Herzschlag. Ich stieß ihm das Messer zwischen die Rippen. Es war scharf und dünn, und ich stieß es bis zum Heft hinein. Sein Körper versteifte sich, fiel gegen mich, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen. Sein Mund öffnete sich und schloss sich, aber kein Laut drang heraus. Er kippte um, die Finger griffen ins Leere.
Valentine kniete augenblicklich neben ihm. »Was haben Sie getan?« Er konnte das Messer nicht sehen. Ich hielt es verborgen.
»Ich habe ihn getötet, du Scheißkerl, wie ich dich töten werde.«
Valentine sprang auf,
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