Bitter Süsse Tode
wollte etwas sagen, und dann brach die Hölle los. Die Zellentür schlug krachend gegen die Wand und zersplitterte. Ein Wirbelsturm fegte in den Raum. Valentine fiel auf die Knie, seine Stirn berührte den Boden. Er verbeugte sich. Ich drückte mich flach gegen die Wand. Der Wind fuhr mir ins Gesicht, zerzauste mir die Haare vor den Augen.
Das Brausen ließ nach, und ich sprintete zur Tür. In dem Moment schwebte Nikolaos über die oberste Stufe. Ihr Haar knisterte und stand ab wie ein Spinnennetz. Ihre Haut war bis auf die Knochen eingefallen, sodass sie wie ein Skelett aussah. Ihre Augen glühten in hellblauem Feuer. Sie begann, mit ausgestreckten Armen die Treppe hinabzuschweben.
Ich konnte ihre Adern wie blaue Lichtschnüre unter der Haut sehen. Ich rannte. Rannte zur gegenüberliegenden Wand und zu dem Tunnel, den die Rattenmänner benutzt hatten.
Der Wind warf mich gegen die Mauer, und ich kroch auf Händen und Füßen auf den Tunnel zu. Das Loch war groß genug, und schwarze, kalte Luft bestrich mein Gesicht. Etwas packte mich am Fußgelenk.
Ich schrie. Das Wesen, das Nikolaos war, zog mich zurück. Es schmetterte mich gegen die Wand und nagelte meine Handgelenke mit seinen Krallen fest. Es drückte sich gegen meine Beine, Knochen unter Kleiderstoff.
Die Lippen waren zurückgezogen und entblößten das Gebiss. Der Totenkopf fauchte: »Du wirst lernen zu gehorchen, mir!« Es schrie mir ins Gesicht, und ich schrie zurück. Wortlos, wie ein Tier in der Falle.
Das Herz schlug mir im Hals. Ich konnte nicht atmen. »Neiiin!«
Das Wesen kreischte: »Sieh mich an!«
Und ich tat es. Ich stürzte in das blaue Feuer, das Nikolaos' Augen waren. Das Feuer fraß sich in mein Gehirn, voller Schmerzen. Ihre Gedanken zerschnitten mich wie mit Messern, säbelten Stücke aus mir heraus. Ihr Zorn versengte mich, bis ich glaubte, die Haut schäle sich von meinem Gesicht. Klauenhände kratzten in meinem Kopf, zermalmten Knochen zu Staub.
Als ich wieder etwas sehen konnte, lag ich zusammengekauert an der Wand, und sie stand über mir, ohne mich zu berühren, das brauchte sie nicht. Ich zitterte, zitterte so heftig, dass meine Zähne aufeinander schlugen. Mir war kalt, so entsetzlich kalt.
»Eines Tages, Animator, wirst du mich Meister nennen, und du wirst es ernst meinen.« Plötzlich kniete sie auf mir. Sie drückte ihren schmalen Körper auf meinen, drückte meine Hände auf den Boden. Ich konnte mich nicht rühren.
Das hübsche kleine Mädchen lehnte sein Gesicht an meine Wange und flüsterte: »Ich werde meine Fänge in deinen Hals stoßen, und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.«
Ihre zarte Ohrmuschel streifte meine Lippen. Ich schlug die Zähne hinein, bis ich Blut schmeckte. Sie quietschte und fuhr zurück, am Hals lief etwas Blut herunter.
Blanke Rasiermesser schnitten durch mein Gehirn. Ihre Schmerzen, ihre Wut ließen es zu Knetmasse zerfließen. Ich glaube, ich schrie wieder, aber ich konnte es nicht hören. Nach einer Weile konnte ich gar nichts mehr hören. Dunkelheit überkam mich. Sie verschluckte Nikolaos und ließ mich allein im Dunkeln schwebend zurück.
39. Kapitel
Ich erwachte, was für sich genommen schon eine angenehme Überraschung war. Ich blinzelte in elektrisches Deckenlicht. Ich war am Leben, und ich befand mich in keinem Verlies. Lauter gute Neuigkeiten.
Warum überraschte es mich, dass ich noch lebte? Meine Finger befühlten den groben, knotigen Stoff der Couch, auf der ich lag. Über der Couch hing ein Bild. Eine Flusslandschaft mit flachen Booten, Mauleseln und Menschen. Jemand kam zu mir und beugte sich über mich, langes gelbes Haar, kantiges Kinn, schönes Gesicht. Nicht unmenschlich schön, wie es mir sonst erschienen war, aber doch schön. Ich nehme an, als Stripper muss man so aussehen.
»Robert.« Es kam als trockenes Krächzen heraus.
Er kniete sich hin. »Ich hatte schon Angst, Sie würden nicht mehr vor Sonnenuntergang wach werden. Sind Sie verletzt?«
»Wo... « Ich räusperte mich, und das half ein bisschen. »Wo bin ich?«
»In Jean-Claudes Büro im Guilty Pleasures.«
»Wie bin ich hierher gekommen?«
»Nikolaos hat Sie gebracht. Sie hat gesagt, hier ist die Hure deines Meisters.« Ich sah, wie er angestrengt schluckte. Es erinnerte mich an etwas, aber ich konnte mich nicht entsinnen.
»Sie wissen, was Jean-Claude getan hat?«, fragte ich.
Robert nickte. »Mein Meister hat Sie zweimal gezeichnet. Wenn ich mit Ihnen sprechen, spreche ich mit ihm.«
Meinte
Weitere Kostenlose Bücher