Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bitter Süsse Tode

Titel: Bitter Süsse Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
Vom Netzwerk:
richten.
    Ihre Stimme trällerte bei jeder Schlusssilbe. Eine Shirley-Temple-Marotte. »Sie sind entweder sehr tapfer oder sehr dumm.«
    »Zu dieser Stimme brauchen Sie eigentlich mindestens ein Grübchen.«
    »Ich setze auf >dumm<«, sagte Jean-Claude leise.
    Ich sah ihn an und dann die schaurige Meute. »Was ich tatsächlich bin, ist müde, verletzt, ärgerlich und ängstlich. Ich würde die Show wirklich gern hinter mich bringen und zum Geschäft kommen.«
    »Ich verstehe langsam, warum Aubrey die Geduld verloren hat.« Das sagte sie trocken und humorlos. Der trällernde Singsang verlor sich wie schmelzendes Eis.
    »Wissen Sie, wie alt ich bin?«
    Ich sah sie an und schüttelte den Kopf.
    »Hast du nicht gesagt, dass sie gut ist, Jean-Claude?« Sie sprach seinen Namen, als wäre sie zornig auf ihn.
    »Sie ist gut.«
    »Sagen Sie mir, wie alt ich bin«, verlangte sie kalt, mit einer zornigen Erwachsenenstimme.
    »Ich kann's nicht. Ich weiß nicht, warum, aber ich kann's nicht.«
    »Wie alt ist Theresa?«
    Ich schaute prüfend auf die schwarzhaarige Vampirin und dachte an ihren Einfluss auf meinen Verstand. Sie lachte über mich. »Einhundert, vielleicht hundertfünfzig, mehr nicht.«
    Ihre Miene war undurchdringlich, ein Marmorgesicht. »Warum nicht mehr?«
    »Das ist das Alter, das sie empfindet.«
    »Empfindet?«
    »In meinem Kopf empfindet sie ein gewisses... Maß an Macht.« Ich konnte es nie leiden, das erklären zu müssen. Es hörte sich immer mystisch an. Das war es aber nicht. Ich kannte mich mit Vampiren aus wie andere Leute mit Pferden oder Autos. Es war ein Talent. Es war Übung. Ich glaubte nicht, dass es Nikolaos gefallen würde, mit einem Pferd verglichen zu werden, oder mit einem Auto, also hielt ich den Mund. Sie sehen, im Grunde doch nicht dumm.
    »Sieh mich an, Mensch. Sieh mir in die Augen.« Sie sprach trotz allem höflich, nicht mit dieser gebieterischen Macht, die Jean-Claude an sich hatte.
    Sieh mir in die Augen - du liebe Güte. Man sollte meinen, dass der Meistervampir der Stadt origineller ist. Aber das sagte ich nicht laut. Ihre Augen waren blau oder grau oder beides. Ihr Blick ruhte wie eine Last auf mir. Ich erwartete beinahe, ihn körperlich wegschieben zu müssen, wenn ich die Hand hob. Noch keinen Vampirblick hatte ich so empfunden.
    Aber ich konnte dem Blick standhalten. Irgendwie wusste ich, dass das nicht so sein sollte.
    Der Soldat zu ihrer Rechten sah mich an, als hätte ich endlich etwas Interessantes vollbracht.
    Nikolaos stand auf. Sie ging ein wenig vor ihrer Entourage hin und her. Sie würde mir nur bis zum Schlüsselbein reichen, das hieß, sie war klein. Sie blieb einen Augenblick stehen, wirkte ätherisch schön wie ein Gemälde. Nicht im Sinne von Lebendigkeit, sondern im Hinblick auf schöne Linien und sorgfältige Farbgebung.
    Reglos stand sie da und öffnete ihren Geist. Es fühlte sich an, als habe sie eine Tür geöffnet, die vorher fest verschlossen gewesen war. Ihr Geist prallte auf meinen, und ich taumelte. Gedanken stachen wie Messer auf mich ein, Träume wie gewetzter Stahl. Flüchtige Spuren ihres Geistes tanzten in meinem Kopf; wo sie Halt machten, war ich betäubt, verwundet.
    Ich war auf den Knien, und ich erinnerte mich nicht, gefallen zu sein. Mir war kalt, so kalt. Nichts blieb mir mehr. Ich war ein bedeutungsloses Ding im Vergleich zu diesem Geist. Wie hatte ich mich nur als gleichrangig ansehen können? Wie konnte ich irgendetwas anderes tun, als vor ihr zu kriechen und um Vergebung zu flehen? Meine Frechheit war unerträglich.
    Auf Händen und Füßen kroch ich zu ihr. Das allein schien mir richtig zu sein. Ich musste ihre Vergebung erflehen. Ich brauchte ihre Vergebung. Wie sonst nähert man sich einer Göttin, wenn nicht auf den Knien?
    Nein. Da stimmte etwas nicht. Aber was? Ich sollte die Göttin bitten, mir zu vergeben. Ich sollte ihr huldigen, alles tun, was sie verlangt. Nein. Nein.
    »Nein«, flüsterte ich. »Nein.«
    »Komm zu mir, mein Kind.« Ihre Stimme war wie der Frühling nach einem langen Winter. Sie ließ mich innerlich auftauen. Ich fühlte mich gewärmt und willkommen.
    Sie öffnete ihre blassen Arme. Die Göttin wollte sich von mir umarmen lassen. Wunderbar. Warum kauerte ich auf dem Boden? Warum rannte ich nicht zu ihr?
    »Nein.« Ich schlug die Hände auf den Steinboden. Es brannte, aber nicht genug. »Nein!« Ich schmetterte die Faust auf den Boden. Mein Arm prickelte und wurde taub. »NEIN!« Ich hämmerte mit den Fäusten

Weitere Kostenlose Bücher