Bitter Süsse Tode
auf den Stein, wieder und wieder, bis sie bluteten. Der Schmerz war deutlich, wirklich, war ein Stück von mir. Ich schrie: »Raus aus meinem Kopf! Du Miststück!«
Ich kauerte mich keuchend zusammen, barg die Hände an meinem Bauch. Der Puls schlug mir im Hals. Ich konnte nicht daran vorbeiatmen. Zorn durchflutete mich, rein und schneidend. Er jagte den letzten Schemen ihres Geistes fort.
Wütend sah ich sie von unten herauf an. Hinter meinem Zorn saß der Schrecken. Nikolaos war durch meinen Verstand gespült wie die See in eine Muschel, hatte mich angefüllt und leer gewaschen. Sie würde mich vielleicht in den Wahnsinn treiben müssen, um mich zu brechen, aber sie könnte es tun, wenn sie es wollte. Und es gab nicht das Geringste, womit ich mich schützen könnte.
Sie blickte auf mich nieder und lachte, dieses wundervolle Glockenspiellachen. »Oh, wir haben etwas gefunden, was der Animator fürchtet. Ja, in der Tat.« Ihre Stimme trällerte angenehm. Wieder die kindliche Braut.
Nikolaos kniete sich vor mich und strich das himmelblaue Kleid unter sich glatt. Wie damenhaft. Sie beugte sich weit nach vorn, sodass sie mir in die Augen sehen konnte. »Wie alt bin ich, Animator?«
Ich fing an zu zittern, als Schreckreaktion. Meine Zähne schlugen aufeinander, als würde ich erfrieren, und vielleicht war es ja so. Ich quetschte die Antwort unter den Zuckungen meiner Kiefer zwischen den Zähnen hervor. »Tausend. Vielleicht älter.«
»Du hattest Recht, Jean-Claude. Sie ist gut.« Sie drückte ihr Gesicht fast in meins. Ich wollte sie wegstoßen, aber mehr als alles andere wollte ich, dass sie mich nicht berührte.
Sie lachte wieder, hell und unbändig, herzzerreißend rein. Wenn ich nicht so gelitten hätte, hätte ich weinen oder ihr ins Gesicht spucken mögen.
»Gut, Animator, wir verstehen einander. Sie tun, was wir wollen, oder ich werde Ihren Verstand abschälen wie die Häute einer Zwiebel.« Sie hauchte mir ins Gesicht, senkte die Stimme zu einem Flüstern. Einem kindlichen Flüstern mit einem Anflug Gekicher. »Sie glauben mir doch, dass ich das kann, nicht wahr?« Ich glaubte es.
Ich wollte in dieses glatte, bleiche Gesicht spucken, aber ich hatte Angst davor, was sie mir dann antun würde. Ein Schweißtropfen rann mir langsam die Wange herab. Ich wollte ihr alles versprechen, alles, wenn sie mich nur nie wieder berühren würde.
Nikolaos brauchte mich nicht zu behexen; sie brauchte mir nur Angst zu machen. Die Angst würde mich beherrschen. Das war es, worauf sie zählte. Ich durfte das nicht zulassen.
12. Kapitel
»Bleiben Sie... mir... vom... Leib«, sagte ich.
Sie lachte. Ihr Atem war warm und roch nach Pfefferminze. Atembonbons. Aber unter dem sauberen, modernen Geruch hielt sich, ganz schwach, eine Spur frischen Blutes. Ein uralter Tod. Ein frischer Mord.
Ich zitterte nicht mehr. Ich sagte: »Ihr Atem stinkt nach Blut.«
Sie schreckte zurück, eine Hand fuhr an die Lippen. Die Geste war so menschlich, dass ich lachen musste. Ihr Kleid streifte mein Gesicht, als sie aufstand. Ein schmaler beschuhter Fuß trat mir in die Brust.
Die Wucht schleuderte mich rückwärts. Brennende Schmerzen, keine Luft. Zum zweiten Mal in dieser Nacht konnte ich nicht mehr atmen. Ich lag flach auf dem Bauch, rang nach Atem, schluckte an den Schmerzen vorbei. Ich hatte nichts brechen hören. Bestimmt war etwas gebrochen.
Ihre Stimme schlug über mich hinweg, sengend wie ein Feuerstoß. »Bringt sie hinaus, bevor ich sie umbringe.«
Der Schmerz ließ nach, es blieb ein Brennen beim Luftholen. Meine Brust war hart wie ein Klumpen, als hätte ich Blei geschluckt.
»Bleib, wo du bist, Jean.«
Jean-Claude war auf halbem Weg zu mir. Nikolaos befahl ihm mit einer kleinen bleichen Hand, stehen zu bleiben.
»Können Sie mich hören, Animator?«
»Ja«, sagte ich mit erstickter Stimme. Ich bekam kaum genug Luft, um zu sprechen.
»Habe ich Ihnen etwas gebrochen?« Ihre Stimme hob sich in die Lüfte wie ein Vogel.
Ich hustete, versuchte, den Rachen freizubekommen, aber es tat weh. Ich schlang die Arme um mich, während der Schmerz nachließ. »Nein.«
»Schade. Aber vermutlich hätte das die Dinge verlangsamt oder Sie wären für uns nutzlos geworden.« Sie schien über das Letzte nachzudenken, als ergäben sich daraus neue Möglichkeiten. Was hätten sie mit mir gemacht, wenn etwas gebrochen gewesen wäre? Ich wollte es nicht wissen.
»Die Polizei weiß nur von vier Vampirmorden. Es hat sechs mehr
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