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Bittere Delikatessen

Bittere Delikatessen

Titel: Bittere Delikatessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Ich wusste gar nicht, dass sie überhaupt noch Kontakt miteinander hatten.«
    »Heinz Fabian hat sie aufgesucht. Das war am Samstag.«
    Ihre Miene verfinsterte sich. Sie sog heftig an der Zigarette und blies eine Wolke gegen die Decke. »Ach!«
    »Warum sollte er keinen Versöhnungsversuch machen?«
    »Sie wissen nicht, was war.«
    »Dann sagen Sie es mir, Frau Franke.«
    »Das kann ich nicht.« Plötzlich fing sie an zu schluchzen.
    Ben sah sich um. »Bitte, beruhigen Sie sich.«
    »Es ist alles meine Schuld! Ich habe mich zu wenig um das Kind gekümmert! Hollywood und all das. Ich dachte, bei Heinz wäre sie in guten Händen. Wahnsinn!«
    Sie nahm Bens Taschentuch und wischte sich die Tränen von den Wangen. Sie sah ihm in die Augen. »Er hat den Tod verdient. Als ich es letzte Woche erfuhr, habe ich ihm für einen Moment den Tod sogar gewünscht.«
    »Was erfuhren Sie?«
    »Nein. Es hat keinen Zweck, darüber zu reden. Es ist vorbei. Und außerdem hat es mit dem Mord an Heinz nichts zu tun.«
    »Vielleicht nicht. Aber ich muss alles wissen, was damit zu tun haben könnte .«
    Wieder liefen ihre Augen über. Ben wartete, bis sie weitersprach. »Man nannte meine Tochter Europas kleiner Liebling. Sie war so ein fröhliches Kind. Aber ich spürte, dass sie sich im Internat nicht wohlfühlte. Also wollte ich ihr eine Familie geben und brachte sie in diese Stadt. Zu Heinz, den ich gerade geheiratet hatte. Da war sie dreizehn. Ich bin an allem schuld.« Angelika Franke wischte über ihre Wangen und schnäuzte sich laut.
    »Nora mochte ihn nicht, von Anfang an. Sie nannte ihn immer nur Herr Fabian oder Mamas zweiter Mann. Nie hat sie mit mir über den Grund gesprochen. Und ich habe die ganze Zeit ihre Signale übersehen. Ihre Krankheiten, ihre Essstörungen, der Selbstmordversuch. Ich habe weggesehen. Ich war ständig auf Reisen. Ich dachte, Heinz wäre ja für sie da.« Die Tränen zogen ihre Bahnen, das Make-up war verschmiert. Die Dame ignorierte es. Ihre Stimme veränderte sich, sie klang jetzt kühl und unbewegt. Angelika Franke legte ihre Beichte ab.
    »Ich habe sie vernachlässigt, und deshalb hat sie mir die Schuld gegeben. Als ich aus Hollywood zurückkam und Carlos heiratete, meinen dritten Mann, zogen wir nach Paris und nahmen Nora zu uns. Aber es war schrecklich mit dem Kind! Da war sie fünfzehn. Ich wusste ja nicht, was geschehen war. Nachts wachte sie oft schreiend auf, tagsüber saß sie da wie gelähmt. Hysterie, sagte der Arzt. Einbildung, keine richtige Krankheit. Ich schob es auf meine neue Ehe und auf die Stadt, und wir zogen wieder nach Deutschland. Doch am Tag nach ihrem sechzehnten Geburtstag zog sie aus. Sie war nicht mehr zu halten.« Ihr Gesicht war fahl geworden. Das Make-up hatte sich in Bens Taschentuch versammelt.
    »Stellen Sie sich vor: Letzte Woche hat sie mir alles erzählt. Sie rief mich an. Sie können sich vorstellen, wie schockiert ich war. Mama, sagte sie, dein zweiter Mann hat mich zwei Jahre lang missbraucht. Er hat meinen Körper missbraucht und meine Seele verkrüppelt.« Wieder begann Angelika Franke hemmungslos zu heulen.
    Ben wartete, bis sie sich beruhigte. »Glauben Sie, dass Nora sich möglicherweise gerächt hat? Dass sie ihren Vater getötet hat, um mit ihrer Vergangenheit fertigzuwerden?«
    Die hagere Frau starrte ihn an.
    »Selbst der Staatsanwalt hätte dafür Verständnis«, ergänzte Ben. Zwei Jahre lang missbraucht. Meine Kindheit war die Hölle. Ben fielen die Heftchen in Fabians Schlafzimmer ein. Ein verdammter Kinderficker, der seine eigene Tochter gequält hatte.
    Angelika Franke warf ihm sein Taschentuch vor die Füße. »Niemals«, fauchte sie. Jede Vertraulichkeit war mit einem Mal weggewischt. »Was fällt Ihnen ein? Sie haben wirklich keine Ahnung! Ich sagte doch, dass meine Tochter keine Mörderin ist. Und jetzt müssen Sie mich entschuldigen, junger Mann. Ich habe Termine!«
    Ben stand zögernd auf, doch sie schenkte ihm keine Beachtung mehr. Er ging zur Drehtür, auf halbem Wege wandte er sich um. Angelika Frankes Kopf ragte nur wenig über die wuchtige Rückenlehne hinaus. Sie hatte sich nicht bewegt. Ihr Gesicht hielt sie mit den Händen bedeckt.
     
     
    32.
     
    »Wir haben alles Mögliche probiert«, sagte Tommaso zu Tom. Fröhlich lief auf und ab. Es war eine der frisch umgebauten Zellen für den Polizeigewahrsam. Hell, kühl und geräumig, ein Bett mit neuer Matratze, Toilette und Waschbecken hinter einem Paravent. Sein Büro war kleiner, fuhr es

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