Bittere Delikatessen
Millionen in den Gulag gebracht. Tom war nicht wohl bei der Sache. »Also Beamte, die Kollegen aufs Glatteis führen?«
Sonntag strich seine Krawatte glatt. »Nein. Beamte, die Kriminelle aufs Glatteis führen, die im Polizeidienst nichts zu suchen haben.«
»Heißt das, Sie halten Engel für einen Kriminellen?«
»Nein. Das heißt nur, dass ich sichergehen will, ob er die Eignung zum Hauptkommissar besitzt. Im K1 ist eine Stelle frei, die Brauning mit Engel besetzen möchte. Ich will wissen, ob Brauning da eine krumme Seilschaft aufbaut oder ob Engel die Beförderung wirklich verdient. Ich will, dass Sie das für mich herausfinden.«
Tom wagte nicht zu fragen, ob eine solche Bespitzelung vor jeder Beförderung üblich war.
»Brauning hat einen Bären an ihm gefressen«, fuhr der Kripochef fort, als spräche bereits das gegen Engel. »Für meinen Geschmack ist Benedikt Engel aber ein Sicherheitsrisiko. Seine Vergangenheit beweist das.« Er zog eine Schublade auf und warf ein dünnes Aktenpaket auf den Tisch.
»Vor ein paar Jahren wurde Engel schon einmal untersucht, und zwar hochoffiziell. Sie können sich die Akte durchsehen, aber nicht mitnehmen.« Er schob Tom das Paket zu. »Engel war damals im Streifendienst. Da hat man schon ab und zu mit Männern zu tun, die ihre Frauen verprügeln. Der übliche Ehekrach. Bei Engel wurde es zur Manie. Er hat diese Männer jedes Mal krankenhausreif geschlagen. Ein Wunder, dass er dafür keine Anzeigen bekam. Doch das ist nicht alles. Engel hat sich mehrmals mit den Frauen eingelassen. Der Michael Douglas für gequälte Eheweiber, wenn Sie wissen, was ich meine. Und einmal war es eine unserer Kundinnen. Eine Kriminelle. Betrug und Diebstahl. Wir konnten Engel nicht nachweisen, dass er sie deckte oder ihr sonst wie half. Aber der Mann ist und bleibt ein Risiko, das steht fest!«
Tom blätterte in den Papieren. Beurteilungen, Zeugnisse, ein wissenschaftliches Gutachten. Tom sah sich die Akte näher an: Aus psychologischer Sicht bestehen deshalb keine Einwände gegen eine Weiterbeschäftigung der untersuchten Person im Polizeidienst.
»Er wurde von einer Psychologin untersucht?«
»Ja, sie tippte auf eine Art Kindheitstrauma. Wie diese Seelenklempner eben so sind. Für alles eine Entschuldigung. Das Entscheidende war damals, dass wir Engel keine Verstrickung in die Straftaten seiner Freundin nachweisen konnten. Der große Tröster!«
»Wie bitte?«
»Ja, das war sein Spitzname bei der Schutzpolizei. Ein Ehestreit genügte – und Engel sah rot und musste die Frau unter seine persönliche Obhut nehmen. Irgendwie zwanghaft. Bullen aus Leidenschaft sind manchmal die schlimmsten. Sie haben sich nicht unter Kontrolle, sie sind unberechenbar. Brauning ist auch so einer. Ich habe meine Zweifel, ob der Polizeidienst das Richtige für solche Leute ist!«
»Der große Tröster – kam das später noch einmal vor?«
»Sehen Sie, das ist eins der Dinge, die Sie für mich herausfinden werden, Thomas. Nehmen Sie Engel unter die Lupe. Ich setze auf Sie!«
36.
Endlich Feierabend.
In der Nähe des Präsidiums war ein Supermarkt, in dem Ben gelegentlich einkaufte. Müde stand er mit seinem Einkaufswagen vor der Tiefkühltruhe und konnte sich nicht entscheiden.
»Hallo, Cowboy!«
Ben drehte sich um. Es war Ria. Sie deutete auf seinen Wagen. »Wohnst du immer noch allein?«
»Ja.«
»Ich auch. Wieder.« Sie fuhr mit der Hand durch ihre langen Locken und lächelte ihn an.
»Bist du nicht mehr sauer auf mich?«
»Brauning hat mir erzählt, wie es war. Du kannst nichts dafür. Der Italiener, den du geschnappt hast, muss ein übler Bursche sein. Du warst ganz schön mutig, so ganz allein.«
»Hm.«
»Was hältst du von der Schauspielerin?«
Ben schob seinen Wagen weiter. »Ein windiges Alibi, du hast völlig recht, aber ich glaube nicht, dass sie es war.«
»Nach allem, was die Maskenbildnerin mir sagte, muss die Fabian einen Riesenhass auf ihren Vater gehabt haben.«
»Stiefvater. Er hat ihre Kindheit zur Hölle gemacht.« Ben schluckte, als er Rias Augen sah. Er wusste, was sie dachte.
»Verstehe. Aber auch daraus kann sich ein Mordmotiv zusammenbrauen!«
Sie hatten die Schlange vor der Kasse erreicht. »Hier ist nicht der Ort, um so was zu diskutieren«, sagte Ben leise.
»Verliebt, Cowboy?«
»Nenn mich nicht so!« Ben sah, dass die Blicke der Kassiererin nicht nur den Lebensmitteln galten, die er aufs Band legte.
»Früher hast du das gemocht: Der
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