Bittere Delikatessen
Fressimperiums. Die Kollegen vom K2, die den Serben überwachten, konnten nicht weit sein. Auch Ivanisevic gab Nora die Hand und ließ dabei seine Goldkettchen blinken.
Erde zu verdammter Erde.
Dicht hinter Ben knirschten Schritte auf dem Kiesweg. Es war Vogel. Er klopfte Ben zur Begrüßung auf die Schulter, rammte ein einbeiniges Stativ neben einen Grabstein und pflanzte eine Kamera darauf, deren riesiges Objektiv über die Kiefernzweige ragte. Wenigstens rückte er der Trauergemeinde damit nicht hautnah auf die Pelle.
Der Zug schien kein Ende zu nehmen. Ben erkannte Iris und Max Traube, der Nora lange und still umarmte. Aus der Distanz entging ihm Traubes Gesichtsausdruck, aber mit seinen Kulleraugen musste sich der Schauspielerkollege nicht groß anstrengen, um Trauer zu mimen.
»Napoleon« Gladisch folgte mit großem Anhang, wahrscheinlich alles Angestellte des Senders und der Produktionsfirma. Ben vermutete, dass die meisten Leute mit Fabian wahrscheinlich gar nichts zu tun gehabt hatten. Ganz nach dem olympischen Motto: Dabei sein ist alles.
Währenddessen klickte und surrte Vogels Kamera unermüdlich. »Smile – und smile«, murmelte der Fotograf. Ben begann zu ahnen, dass die ganze Zeremonie vor allem der Werbung für Pro-Sat diente. Jeden Tag eine rührende Geschichte über das Watzmannhaus, weil es Vogels Boss so will. Unbewegt stand Nora neben ihrer Mutter.
Staub zu verdammtem Staub.
Ben verlor die Kontrolle über die Gedanken, die durch seinen Kopf schossen. Dein zweiter Mann hat mich missbraucht. Ben dachte an das Rendezvous vom Vortag. Hatte sie ihren Spaß nur vorgetäuscht? Hatte sie es getan, um Ben zu bestechen? Der Besuch bei Sigrid hatte ihn ratlos gelassen.
»Das war's, der Film ist voll«, sagte Alex Vogel, packte die Kamera in die Tasche und begann, an seinem Stativ herumzuschrauben.
In diesem Moment gab es den Eklat: Ein Knall, der laut über den Friedhof schallte. Ein alter Herr mit weißem Haar, der sich die Wange rieb. Eine kleine, mollige Frau in Schwarz, die ihn von Nora wegzuziehen versuchte. Entsetzte Mienen. Ein Raunen.
Nora holte erneut aus.
»Spinnt die jetzt total?«, entfuhr es Vogel. Die kleine Mollige fing mit ihrer Handtasche den Schlag ab und brachte den Weißhaarigen aus Noras Reichweite. Vogel wühlte fieberhaft in seiner Tasche nach einem leeren Film.
Der Rest der Trauergemeinde zerstreute sich rasch. Peinlichkeit und Verwunderung hingen zwischen den Friedhofsbäumen. Jeder hielt den Blick gesenkt, als gäbe es auf dem Kiesweg etwas zu erforschen. Nur Vogel zappelte aufgeregt herum.
»Scheiße«, zischte er durch die Zähne und musterte Ben, als sei dieser ein Filmverkäufer, doch Ben hatte nur Augen für die Szene neben dem offenen Grab.
Max Traube redete leise auf Nora ein, die jetzt völlig versteinert und apathisch wirkte. Traube hakte sie unter und führte sie fort, Richtung Parkplatz. Nora setzte ihre Beine, als hätte sie kaum Kontrolle über sie.
Ben fasste einen Entschluss und lief in die andere Richtung. Am Ostausgang stellte er den Weißhaarigen und die kleine Mollige. »Kriminaloberkommissar Engel. Darf ich fragen, wer Sie sind?«
Der Mann tat empört. »Doch nicht hier auf dem Friedhof. Wir trauern um einen Freund.«
Ben ging ihm nicht aus dem Weg. »Wir können gerne einen Termin auf dem Präsidium vereinbaren, wenn Sie jetzt nicht mit mir reden wollen.«
Der Alte studierte nicht vorhandene Wolken. Die Frau antwortete: »Ich heiße Beate Falk, das ist mein Mann, Leo Falk.«
Leo Falk – der Name war Ben bekannt.
»So, ich hoffe, das war's dann«, brummte der Weißhaarige.
Falk: Bürgermeister, Ortsvorsitzender seiner Partei, dann sein Abschied von der Politik. Etwa zwei Jahre war das her.
»Noch eine Frage: Wie war Ihre Beziehung zu dem Toten?«
Wieder war es die Frau, die antwortete: »Wir waren befreundet. Seit vielen Jahren.«
Leo Falk ergänzte barsch: »Wenn Sie wissen wollen, wer ihn umgebracht hat, dann können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Der Mann hatte keine Feinde.« Die fünf Finger Noras glühten in seinem Gesicht.
»Wie ist Ihre Beziehung zu Nora Fabian?«
Der ehemalige Politiker rieb sich unbewusst die Wange. »Keine Ahnung, was diese Frau zu dieser Entgleisung getrieben hat.«
Das Gesicht der Frau war ein einziges Fragezeichen. »Was hast du denn zu ihr gesagt?«
»Mein Beileid. Sonst nichts.« Falk suchte wieder nach Wolken.
Sie bohrte weiter: »Hast du das kommen sehen? Wolltest du deshalb zuerst nicht zur
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