Bittere Delikatessen
wurde noch voller und heißer. Tom staunte. Er sah Leute, die er bislang nur vom Bildschirm her kannte: Nachrichtensprecher, Talkmaster, Moderatorinnen.
»Ein tolles Fest. Kennst du die Leute alle?«
»Die meisten. Der dort drüben ist Kurt Kress, der die Nachtshow macht. Nicht so gut wie sein Vorgänger, aber er ist Gladischs persönliche Entdeckung, deshalb darf er weitermachen. Da vorn, der mit dem Dreitagebart, das ist Marcel Feldkamp, der Sportchef von Pro-Sat. Nebenher macht er mit Bierreklame ein Riesengeld. Seine Frau wird's ihm wegnehmen. Sie hat ihn rausgeschmissen und will sich scheiden lassen. Sie hat ihn beim Fremdgehen erwischt.«
Toms Gedanken schweiften ab. Er musste schlucken.
»Und siehst du den dort drüben?«
»Wo?«
»Neben der Frau in dem schwarzen Minikleid?«
Auch der kam Tom bekannt vor.
»Das ist Max Traube, einer der Stars der Serie. Ein berühmter Komiker.«
»So komisch sieht der gar nicht aus.«
»Das ist bei diesen Typen immer so. Privat sind Komiker unausstehlich. Traube und die Fabian – die sind wie ein altes Ehepaar. Sie hängen aneinander und kriegen sich ständig in die Wolle. Hassliebe, sie haben wahrscheinlich schon zu oft miteinander gearbeitet.« Die Maskenbildnerin deutete auf den Studioeingang. »Da ist sie ja!«
Nora Fabian betrat die Szene. Tom erstarrte, als er den Mann an ihrer Seite erkannte. Er trug einen teuer aussehenden cremefarbenen Anzug und bewegte sich, als sei er in dieser Szene zu Hause. Es war Benedikt Engel vom K1.
Der große Tröster. Der unberechenbare Bulle. Nun hatte Tom zwei, um die er sich auf diesem Fest zu kümmern hatte.
39.
Als Erstes begrüßten sie Iris und Max Traube.
»Ihr kennt euch bereits?«, fragte Nora.
Traube zwang sich zu einem Lächeln. Auf seinen Schläfen standen Schweißperlen.
»Na, schon bei meinem Chef beschwert?«
»Ich bitte Sie. So war das doch nicht gemeint. Sie müssen verstehen, mein Lieber, der Schock, dass ausgerechnet Nora als Verdächtige galt. Aber wie ich sehe, haben Sie Ihre Meinung revidiert.«
Iris nahm ein Glas vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners. »Auf die Lebenden!« Offensichtlich war es nicht ihr erstes Glas.
»Mach langsam, morgen hast du deinen ersten Drehtag! Du wirst einen klaren Kopf brauchen«, mahnte Traube. Die Trauer seiner Augen schien hier so fehl am Platze, dass sie auf Ben schon wieder komisch wirkte.
»Du alter Griesgram! Immer musst du kommandieren. Heute wird gefeiert!«, erwiderte Iris aufgekratzt. Sie hatte die erhoffte Rolle bekommen, erfuhr Ben. Das Schulmädchenkleid vom Nachmittag hatte Iris gegen ein noch kleineres Schwarzes getauscht.
Ben und Nora Fabian griffen beide nach Mineralwasser.
Nora fragte: »Trinkst du wirklich niemals Alkohol?«
»Nein. Ein naher Verwandter von mir ist an Alkohol gestorben. Vielleicht deshalb.«
»Und mir würde es wahrscheinlich genauso wie deinem Verwandten gehen. Aber eisern zu bleiben, fällt trotzdem nicht leicht.«
»Heute sind Sie es, der auf sie aufpassen muss, Herr Engel«, mischte Traube sich ein. »Und lass es heute nicht zu spät werden, Nora. Das schadet deinem Teint. Du weißt, du bist nicht mehr die Jüngste.«
Nora ignorierte den letzten Satz. An diesem Abend war sie ganz die Diva. Sie trug ein erdbeerrotes Kleid, schulterfrei und auf dem Busen mit Tausenden von golden funkelnden Pailletten bestickt. Mit ihrem hochtoupierten Haar und in ihren Stilettos wirkte sie nur wenig kleiner als Ben.
Iris drängte sich an Ben heran. »Probieren Sie doch mal, Herr Engel, es ist Champagner!«
Traube wies sie zurecht: »Lass ihn doch. Wenn Herr Engel das doch nicht mag!«
Iris zog eine Schnute. »Ach, du alter Griesgram.« Sie zwinkerte Ben zu.
Nora zog ihn weiter und stellte ihm einige Mitarbeiter der Serie vor. Sie streute ihr patentiertes Lächeln unter die Gäste: Keiner kann mir auf dieser Welt etwas weismachen.
Ben spürte die Nervosität unter ihrer Fassade.
»Benedikt, das ist René. Er ist Autor. Gewissermaßen der Erfinder der Serie. René, das ist Kommissar Engel. Er versucht, den Mord an meinem Stiefvater aufzuklären. Aber heute Abend ist er privat hier.« Sie strahlte Ben an.
Händeschütteln. René war eine Tunte mit lackierten Nägeln und violettem Seidenhemd.
»Kommissar! Das ist interessant. Wenn ich einmal einen Krimi mache, muss ich unbedingt mit Ihnen reden.«
Nora lachte. »Konzentrier dich erst mal auf das Watzmannhaus .«
Ben spielte den Interessierten. »Sie schreiben also die
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