Bittere Mandeln
für Falschparken gegeben habe«, sagte Lieutenant Hata. Er war Takeo nachgerannt, aber verschwitzt, verärgert und vor allem allein wiedergekommen. »Ich bin dem Range Rover zwei Häuserblocks weit nachgelaufen, aber der Kerl hat einfach nicht angehalten. Jetzt muß ich zum Kayama Kaikan, um endlich mit ihm sprechen zu können.«
»Augenblick, Lieutenant! Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Ich fragte Norie mit einem Lächeln: »Obasan, würdest du mir bitte die Papiere aus der obersten Schreibtischschublade bringen?«
Als ich die Liste dann in der Hand hielt, die ich einige Zeit zuvor angelegt hatte, malte ich ein Sternchen neben die Namen der Leute, die sowohl zum Zeitpunkt des Mordes an Sakura als auch bei dem Giftanschlag auf mich in der Mitsutan-Galerie anwesend gewesen waren. Es gab nur wenige Namen, auf die beide Kriterien zutrafen: Lila Braithwaite, Natsumi Kayama, Eriko und Mari Kumamori. Ich erwähnte Mari nur ungern, weil sie schon genug unter Diskriminierung zu leiden hatte, aber ich wollte niemanden auslassen.
»Sie haben Takeo Kayama vergessen«, sagte Lieutenant Hata. »Er und Natsumi sind gleich, nachdem ich mit den anderen Beamten in der Schule eingetroffen war, mit dem Aufzug heruntergekommen. Und gerade hat er zugegeben, daß er früher am Morgen im Mitsutan gewesen ist. Er hätte den Zucker also präparieren können.«
»Na schön, dann setzen wir ihn eben auch auf die Liste.« Besonders wohl war mir bei dem Gedanken, daß Takeo ein Mörder sein könnte, nicht, aber Lieutenant Hata hatte recht.
»Darf ich auch etwas sagen?« fragte Tante Norie. Ohne auf eine Antwort zu warten, erzählte sie: »Mir ist gerade etwas eingefallen, was der Lieutenant gesagt hat, bevor wir unterbrochen wurden. Wenn es das Ziel des Mörders ist, den Ruf der Kayama-Schule zu schädigen, muß die betreffende Person jemand von außen sein. Es wäre doch gut möglich, daß einer von diesen Umweltschutz-Terroristen einfach in das Kayama Kaikan und das Mitsutan gekommen ist, um die Verbrechen zu begehen.«
»Umweltschutz-Aktivist, nicht -Terrorist«, korrigierte ich meine Tante. »Und wenn du schon Leute von außen ins Spiel bringst, was ist dann mit Angehörigen anderer Ikebana-Schulen? Würdest du nicht auch sagen, daß die Kayama-Schule in Konkurrenz zur Sogetsu-Schule steht? Könnte einer von den Leuten dort vielleicht neidisch auf die Kayamas sein?«
»Woher kennst du denn die Sogetsu-Schule? Ich dachte, du interessierst dich nicht für Ikebana!« fragte Tante Norie.
»Obasan, der Leiter der Schule ist berühmt. Er hat in den sechziger Jahren einen Film mit dem Titel Die Frau in den Dünen gemacht.«
»Aber er ist kein so großer Künstler wie unser Leiter«, sagte Norie naserümpfend.
»Euer Schulleiter ist zu kühl für meinen Geschmack«, sagte ich. »Während seiner Beurteilung hat Mr. Kayama das Tongefäß von Mari Kumamori zerschlagen und das dann als Verbesserung deklariert. Ich fand das schrecklich grausam. Kein Wunder, daß Sakura so gemein zu ihren Schülern war. Das hat sie von ihm gelernt.«
»Ich habe auch bei Masanobu- sensei persönlich gelernt. Du hast den Unterricht bei mir zu Hause erlebt. Findest du etwa, daß ich Schülern gegenüber grausam bin?«
»Natürlich nicht. Ich wollte nur sagen …« Ich schwieg, als ich merkte, daß ich kurz vor einer Auseinandersetzung mit meiner Tante stand.
Lieutenant Hata räusperte sich. »Meine Damen, ich glaube, wir haben alles Nötige besprochen. Miss Shimura, ich werde mir Ihre Liste der Verdächtigen noch einmal genauer ansehen. Am wichtigsten für mich wäre allerdings, wenn Sie sich an das zu erinnern versuchten, was während der Ausstellung im Mitsutan passiert ist – besonders an Leute, die sich in der Umgebung der Erfrischungstheke aufgehalten haben. Möglicherweise entsinnen Sie sich einer Einzelheit, die für die Ermittlungen wichtig werden könnte.«
Nachdem Lieutenant Hata weg war, versuchte ich, Frieden mit Tante Norie zu schließen. »Bitte glaub mir, daß ich Takeo nicht hierher eingeladen habe«, beteuerte ich. »Aber wieso kannst du ihn so wenig leiden?«
Sie preßte die Lippen zusammen. »Rei, er ist nicht der Richtige für dich.«
Stimmt, hätte ich sagen sollen, schaffte es aber nicht, weil mir nicht aus dem Kopf gehen wollte, wie Takeos Lippen leicht mein Ohr berührt hatten. Er war mir nur so nahe gekommen, damit Norie und Lieutenant Hata ihn nicht hörten, aber ich hatte dabei das Gefühl gehabt, das Andenken von Hugh
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