Bittere Mandeln
betreten. Und zwar zur Vorbesprechung des Kurses mit Mrs. Koda. Sie hat mir zwar die ganze Schule gezeigt, aber kein Archiv. Fragen Sie sie doch.« Ich klang mutiger, als ich mich fühlte, denn jetzt fiel mir wieder ein, wie argwöhnisch Mrs. Koda gewirkt hatte, als sie mich nach den Kayama-Keramiken fragte.
»Gut möglich, daß Sie nicht selbst hier gewesen sind, sondern Ihre Tante«, sagte Takeo. »Sie geht ja hier ein und aus.«
»Genau wie Hunderte – ach was, Tausende – von Lehrern und Schülern auch. Aber geben Sie ruhig meiner Tante die Schuld. Sie ist sowieso überzeugt, daß ihr Ruf durch die Verbindung zu dem Mord an Sakura für immer ruiniert ist; da macht diese neue Eröffnung sicher keinen großen Unterschied mehr.« Jetzt war ich wirklich wütend auf ihn. »Und was ist mit Ihnen selbst? Sie könnten die Kayama-Keramiken schon vor einer ganzen Weile mitgenommen und dann einen Strohmann beauftragt haben, sie zu Mr. Ishida zu bringen. Sie wußten, daß ich mit Mr. Ishida befreundet bin und früher oder später in seinen Laden gehen und eins der Stücke erwerben würde. Tja, und schon würde man mich damit erwischen, und ich müßte als Sündenbock für Ihr Verbrechen herhalten.«
»Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie groß mein Privatvermögen ist?« Er sah mich an. »Über eine Milliarde Yen. Das sind sieben Millionen amerikanische Dollar zum derzeitigen Umrechnungskurs. Außerdem wissen Sie, daß ich noch viel mehr erben werde, wenn mein Vater einmal stirbt. Warum sollte ich Interesse daran haben, eine unbedeutende Sammlung von Keramiken aus den dreißiger Jahren zu stehlen und zu verkaufen?«
»Sie haben mir gerade gesagt, daß diese Keramiken ausgesprochen selten sind. Jetzt sprechen Sie von einer unbedeutenden Sammlung. Was ist nun wahr?« Ich stürzte mich auf dieses Detail, um meine Verärgerung darüber zu kaschieren, daß jemand in meinem Alter so obszön viel Geld besaß.
»Die Kayama-Keramiken sind wichtig für mich, weil sie Teil meines Familienerbes sind. Das ist alles.« Er musterte mich argwöhnisch. »Selbst wenn Sie das suiban bei Ishida Antiques gekauft haben, ohne irgend etwas von der Geschichte zu ahnen, handelt es sich immer noch um Diebesgut. Ishida-san könnte eine Anzeige wegen Hehlerei bekommen. Ein Anruf bei der Polizei würde genügen.«
Ich stellte mir vor, wie mein fünfundsiebzigjähriger Freund stundenlang in einer kargen Gefängniszelle ausharren mußte, und schon sank mir der Mut. Ich hielt Takeos triumphierendem Blick nicht mehr stand. Wie würde ich nur wieder aus diesem Zimmer und dieser schrecklichen Situation herauskommen?
Plötzlich hörte ich das Knarren von Sprungfedern und spürte dann eine Hand auf meiner Schulter. Takeo berührte genau die Stelle, an der sich der Riemen des Büstenhalters befunden hätte, wenn Tante Norie nicht auf die Idee gekommen wäre, den größten Teil meiner Unterwäsche für ihre Flickaktion zu konfiszieren.
»Ich rufe die Polizei noch nicht.«
»Ach?«
»Ja, ein Mord und ein Giftanschlag innerhalb einer Woche sind rufschädigend genug für die Schule.«
Ich richtete mich kerzengerade auf dem durchgesessenen Möbel auf und schüttelte Takeos Hand ab. »Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mit Lieutenant Hata sprechen, aber bitte lassen Sie mich dabei sein. Meiner Meinung nach könnte der Diebstahl der Gefäße etwas mit dem Mord an Sakura zu tun haben. Mr. Ishida hat jedenfalls bestimmt nicht vor, sich an Ihren Familien-Preziosen zu bereichern.«
»Worum geht’s dann?« Takeo musterte mich mit derselben Aufmerksamkeit, wie die Krähen die Abfalltüten in meinem Viertel beäugten.
Ich erzählte ihm von der Frau, die bei Mr. Ishida aufgetaucht war, ihn zu einem für sie profitablen Anteil am Verkaufserlös überredet und ihm eine falsche Telefonnummer hinterlassen hatte. Takeos Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber am Ende meiner Ausführungen ging er zu einem seiner überfüllten Regale und nahm etwas heraus. Er reichte mir das gerahmte Foto einer schlanken jungen Frau in einem Garten, die zwei kleine Kinder an der Hand hielt. Beide trugen blauweiße Baumwollkimonos und waren einfach zum Anbeißen. Sie hatten dichtes schwarzes Haar und riesige Augen, die aus goldigen runden Gesichtchen hervorlugten. Sie waren viel süßer als Lila Braithwaites ständig flennende Kinder.
Takeo gab ein verärgertes Schnauben von sich. »Vergeuden Sie Ihre Zeit nicht damit, Natsumi und mich anzustarren – uns kennen Sie schon.
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