Bittere Pille
von
»schülerVZ« und »Stay Friends«,
sicherlich undenkbar, doch in den späten Siebzigern
Realität. Damals hatte es ja auch nur drei Fernsehprogramme
gegeben, und Handys und Internet gab es höchstens in
Science-Fiction-Filmen. Nach Barbapapa und der Sesamstraße
ging es ins Bett, harte Zeiten waren das gewesen, dachte Stefan
lächelnd und tippte ihre Nummer ein. Er dachte an die Tage,
die er mit der kleinen Danni verbracht hatte. Eine schöne Zeit
war das gewesen, und er freute sich, dass sie sich offenbar an ihn erinnert
hatte. Warum trug sie denn noch ihren Mädchennamen - war sie
noch nicht verheiratet?
»Hallo Stefan,
das ist ja super, dass du dich so schnell meldest!« Sie
freute sich anscheinend, seine Stimme zu hören.
»Du hast
angerufen?«, eröffnete er das Gespräch. »Was
treibst du denn so? Bist du wirklich Tierärztin
geworden?«
»Nein,«
lachte sie. Sie klang sympathisch. »Ich bin keine
Tierärztin geworden, sondern arbeite als Assistenzärztin
in einer Klinik. Dich höre ich ja fast jeden Morgen im
Radio.«
Stefan wurde sofort
hellhörig. Er dachte an die Geschichte, die sie von Monika
Born erfahren hatten. »Was kann ich für dich
tun?«, übte er sich in Geduld. Es war noch nie seine
Stärke gewesen, mit der Tür ins Haus zu
fallen.
»Ich habe eine
ziemlich heftige Geschichte für dich, Stefan.«
Plötzlich klang ihre Stimme belegt. »Das Thema ist
ziemlich brisant, deshalb möchte ich es dir
anvertrauen.«
»Das ehrt mich,
Danni.« Er lachte jungenhaft. »Krieg ich einen Tipp,
worum es geht?«
»Nicht am
Telefon.« Sie klang gehetzt. »Besuch mich einfach, dann
reden wir. Vielleicht interessiert es dich - vielleicht hältst
du mich auch einfach nur für total
verrückt.«
»Gut, lass uns
treffen. Wann und wo?«
»Wann hast du
Zeit?«
»Von mir aus in
einer halben Stunde. Ich habe Feierabend und bin auf dem Weg ins
Bett. Vielleicht hast du die Morgensendung gehört? Wenn du
magst, nehm ich mir aber gern Zeit für eine alte Freundin und
eine interessante Geschichte.«
»Das passt, ich
habe gleich Pause. Komm in die Klinik Wiesenhang, dort arbeite ich.
Jetzt muss ich aber wirklich Schluss machen. Wir haben gleich
Visite. Ich freu mich!«
Sie hatte
aufgelegt.
Stefan starrte wie
elektrisiert auf den Telefonhörer in seiner Hand, dann legte
er auf.
30
Autohaus Klinke,
10:30 Uhr
Als sie den
Verkaufsraum durchquerte, strafte Jan Rüben sie mit
Nichtbeachtung, und Heike wurde den Verdacht nicht los, dass der
Verkäufer an der Tür das Gespräch mit Klinke
belauscht hatte. Erst als sie durch die Glastür nach
draußen trat, schickte er ihr einen Blick hinterher, den sie
aber nicht zu deuten vermochte. Kalla wanderte rauchend auf und ab
und betrachtete die Luxusschlitten. In seinem Mundwinkel klemmte
ein Zigarillo. Er bemerkte Heike nicht, die sich ihm von hinten
näherte.
»Ja«,
sagte sie, als sie ihn erreicht hatte. »Das sind Autos, was?
Da kommt dein alter Bock nicht ganz mit, fürchte ich.«
Sie kicherte. Kalla fuhr herum, nahm einen tiefen Zug an seinem
Zigarillo und schüttelte den Kopf. »Luxus ist
vergänglich, weißt du. Ich will nicht wissen, wie diese
vornehmen Schlitten aussehen, wenn sie mehr als eine Million
Kilometer auf der Uhr haben und Tag und Nacht im Einsatz
waren.« Er winkte ab. »Die wären ein Fall für
die Schrottpresse, kannste glauben. Nee, lass mal. Da lob ich mir
meine alte Droschke.« Dann wurde er ernst. »Und, was
erreicht?«
»Und ob.«
Heike berichtete dem Taxifahrer, was sie im Gespräch mit
Klinke erfahren hatte. Auch den eigenartigen Verkäufer
ließ sie nicht aus.
»Unter dem
Strich aber nichts als heiße Luft«, brummte Kalla.
»Vielleicht sollten wir…« Er brach ab, als er
sah, dass Heike an ihm vorbeischaute, und drehte seinen massigen
Körper um. Ein dunkler Opel Vectra mit Wuppertaler Kennzeichen
führ soeben auf den Hof des Autohauses. Der Wagen passte
genauso wenig hierher wie Kallas Taxi, dachte Heike und rollte mit
den Augen. Sie kannte den Vectra allzu gut. »Was will der
denn hier?«, fragte sie seufzend. Kalla betrachtete sie mit
fragendem Blick. »Wer isses?«
»Das ist
Hauptkommissar Ulbricht von der Kripo. Er leitet die Ermittlungen
in unserem Fall. Und er wird bestimmt Ärger machen, weil ich
vor ihm hier war. So was kann er nämlich überhaupt nicht
leiden.«
»Ah, der
berühmt-berüchtigte Kommissar Verdammt?«
»Leider ja.
Kannst dir ja selber mal einen Eindruck
verschaffen.«
»Sollen wir
abhauen?«
»Zu
spät.«
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