Bittere Pille
Er drückte die Blätter auseinander und
wühlte darunter herum, ohne das »Geheimversteck«
des Zweitschlüssels zu finden.
»Das wäre
viel zu einfach«, erwiderte Heike und rechnete damit, dass
jeden Moment einer der Nachbarn kam und sie nach dem Grund ihres
Besuches fragte. Sicherlich ahnten die Nachbarn nicht einmal, dass
die Hausbesitzer beide tot waren. »Wenn Born wirklich
Geheimnisse hatte und sich aufgrund seines Berufes Feinde gemacht
hat, dann wird er kaum so dumm sein und einen Zweitschlüssel
außerhalb des Hauses deponieren.«
»Sie müssen
die Schwester sein!«
Wie angewurzelt blieb
Heike stehen. Mit schreckgeweiteten Augen blickte sie auf Kalla. Er
zog die Mundwinkel nach unten und deutete ein Nicken an. Heike
drehte sich jetzt doch um und blickte einer alten Frau entgegen. Da
sie den sorgfältig gestutzten Rasen überquert hatte,
anstatt den Kiesweg zu nehmen, hatten sie die alte Frau nicht
kommen hören. Sie kam vom Nachbargrundstück und putzte
sich die Finger an der bunten Schürze ab. Heike schätzte
sie auf Mitte, Ende siebzig. Das silbergraue Haar hatte sie hinter
dem Kopf zu einem Knoten gebunden. Das Gesicht war faltig, die Haut
jedoch gebräunt. Ihre grauen Augen schienen freundlich zu
lachen. »Ich bin die Gerda, von nebenan. Sicherlich kennen
Sie mich, na ja, vom Hörensagen wenigstens.«
»Ich habe den
Namen schon mal gehört.« Nicken, hilfloser Blick in
Kallas Richtung. Doch er lächelte wohlwollend und schwieg. Die
alte Dame redete munter weiter. »Sehen Sie. Ich weiß
gar nicht, wann die Monika zurückkommt. Der Peter ist ja
scho’ länger weg. Dienstlich.« Wichtige Miene.
»Jedenfalls hat sie mich gebeten, Ihnen den Schlüssel zu
geben. Wegen der Blumen, Sie wüssten
Bescheid.«
»Das ist
wahr«, mischte sich jetzt Kalla ein. »Wäre ja auch
schade um die schönen Blumen.«
»Sie hab ich mir
ganz anders vorgestellt«, eröffnete Gerda ihm nun.
Anscheinend hielt sie Kalla ernsthaft für den Schwager von
Monika Born. »Na egal.« Sie wühlte in der Tasche
ihrer Schürze herum und förderte einen Schlüssel
zutage. »Hier«, sagte sie und reichte Heike den
Schlüssel für das Haus der Borns. »Dann sehen Sie
mal nach dem Rechten. Ich weiß zwar nicht, warum Ihre
Schwester mir das nicht zutraut, aber …" Müdes
Lächeln, Abwinken, beleidigter Flunsch. Anscheinend hatte
Monika Born zu ihrer Schwester mehr Vertrauen als zu den
Nachbarn.
Heike konnte es egal
sein. Sie nahm den Schlüssel, bedankte sich artig und
drückte Kalla zur Haustür. »Wir sind ein wenig
spät dran, wissen Sie«, wandte sie sich zu Gerda,
während Kalla aufschloss. »Nichts für ungut und
danke für Ihre Mühe!« Dann waren sie im Haus und
ließen die alte Dame draußen zurück.
*
Im Haus empfing sie
angenehme Kühle. Halbdunkel erschwerte den Blick auf die
Einrichtung. Muffiger Geruch, schon seit Tagen nicht gelüftet.
Heike rümpfte die Nase. Kalla schaltete Licht ein. »Mal
lüften, hm.« Er wollte sich an einem der Rollläden
zu schaffen machen, doch Heike rief: »Fass nichts an, wegen
der Fingerabdrücke.«
Kalla nickte.
»Wir waren gar nicht hier.«
»So ist’s
brav. Und jetzt schnell, lass uns das Arbeitszimmer von Peter Born
suchen. Sicherlich hat er dort seine Unterlagen aufbewahrt. Und
dann nichts wie weg hier. Ich habe keine Lust auf
Ärger.«
Heike ging voran. Sie
blickten sich im Hause der Borns um. Die Einrichtung war gediegen,
aber nicht übermäßig luxuriös. Man erkannte am
Einrichtungsstil, dass Peter Born von dem, was er verdiente, gut
leben konnte. Aber man sah auch, dass er für sein Geld
arbeiten musste. Unwillkürlich erinnerte sich Heike an Monika
Borns Gesicht im Augenblick des Todes. Fassungslosigkeit hatte in
ihrem Blick gelegen. Sie hatte nicht glauben können, was
geschehen war, als sie die tödliche Kugel getroffen hatte.
Aber ' vielleicht war es gut so, vielleicht hätte sie den Tod
ihres Mannes nie überwunden. Heike beschlich ein beklemmendes
Gefühl, während sie mit Kalla durch das menschenleere
Haus ging.
Das Haus wies den
typischen Grundriss eines Einfamilienhauses auf: Rechts im Flur das
Gästeklo, links die Küche mit Blick in den Garten.
Geradeaus das Ess- und Wohnzimmer, dahinter eine Veranda mit Blick
ins Grüne. Eine Treppe führte nach oben.
»Schön haben die es«, bemerkte Kalla anerkennend.
»Schön hatten die es«, verbesserte er sich nach
einem verlegenen Räuspern. »Wird Zeit, dass wir diesen
Dreckschweinen das Handwerk legen.«
»Deshalb sind
wir
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