Bittere Sünde (German Edition)
doch er kam immer näher und näher. Bald konnte sie die ersten Rufe und schnelle Schritte auf dem Kiesweg im Garten hören.
Und da fing Linn an zu lachen. Sie konnte nicht anders.
134
Roger traf als Erster ein. Von der Türschwelle aus betrachtete er schockiert die Szene, die sich ihm bot. Dann schrie er: »Ruft einen Krankenwagen, sofort!«
Während immer mehr Polizisten ins Wohnzimmer drängten, hockte Roger sich zu Linn und nahm ihren zitternden Körper in die Arme. Alle Geräusche um ihn herum schienen ihm plötzlich entfernt und unwirklich.
»Mein Gott, Linn …«, flüsterte er fast unhörbar.
»Woher wusstest du …?«
»Stefan … Er …« Roger nickte zu dem Mann auf dem Boden. »Er hat eine Schwester namens Anna. Sie wusste, dass er gerade bei seiner Freundin Annika in Norrtälje ist, da haben wir eins und eins zusammengezählt.«
»Aber warum? Warum hat er das getan?« In Linns Augen spiegelte sich Ratlosigkeit.
»Du …«, sagte er sanft. »Sag am besten erst mal nichts mehr und ruh dich aus.«
Linn sank an seine Brust. In ihrer Erschöpfung klang das Stimmengewirr um sie herum wie ein undurchdringlicher Teppich.
»Magnus … Wie geht es Magnus?«, murmelte sie.
Roger schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
EPILOG
April, fünf Monate später
135
Der Kies knirschte angenehm unter Linns Holzschuhen, als sie mit dem Kaffeetablett in den Garten kam. Noch lag Frische in der Luft, aber die Vögel zwitscherten schon erwartungsfroh, und die Frühlingssonne wärmte, so gut sie konnte.
»Bringst du auch Milch mit?«, rief Magnus, der in einem Liegenstuhl saß, das Gesicht der Sonne zugewandt. Er hatte die Augen geschlossen, weshalb er nicht bemerkte, dass Linn bereits neben ihm stand.
»Hab ich doch dabei«, sagte sie fröhlich.
Magnus zuckte zusammen, dann lächelte er und blickte sich um. »Wo sind Moa und Elin?« Plötzlich klang er ängstlich.
»Die verstecken sich unter den Fichten da hinten, mach dir keine Sorgen.«
Magnus atmete auf.
Linn betrachtete ihn, sie wusste genau, was in ihm vorging. Sie selbst führte tagtäglich denselben Kampf.
»Es ist vorbei«, sagte sie bestimmt.
»Meinst du, du wirst das je vergessen können?«
Linn schüttelte den Kopf und lächelte schwermütig. »Nein. Ich habe einen Menschen getötet. Das werde ich bis zum Ende meines Lebens nicht vergessen.«
Magnus schaute sie an, wie sie da in seinem abgetragenen Fischerhemd saß, das ihr mehrere Nummern zu groß war. Sie hatte kleine Fältchen um die Augen, die ihn daran erinnerten, dass sie allmählich älter wurden. Wenn möglich, bewirkten sie jedoch, dass er sie noch mehr liebte, vielleicht weil sie mahnten, wie wenig Zeit ihnen noch blieb.
»Ich hab’s dir schon oft gesagt, wiederhole mich aber gern noch mal. Es ist nicht deine Schuld, dass Stefan tot ist. Er hätte uns getötet. Er hat ja sogar seine eigene Mutter getötet und sie im Gebälk des Hofs da in Flaxenvik versteckt.«
Linn biss sich auf die Lippe und nickte. »Ja, ich weiß. Es lastet trotzdem schwer auf mir.« Sie führte die Kaffeetasse zum Mund und nippte an dem heißen Getränk. »Warum hat er denn die Polizei so sehr gehasst?«
Magnus sah irritiert aus. »Keine Ahnung, seine Mutter saß mal wegen extremer Trunkenheit am Steuer eine Weile im Gefängnis. Damals war er dreizehn und musste ein halbes Jahr ins Pflegeheim. Vielleicht lag es daran?«
»Und dann tauchst du auch noch plötzlich auf und fängst einen Streit mit ihm an.«
»Genau, platze ihm ausgerechnet mitten in seine edle Liebesmission. Dir ist schon klar, dass uns, wäre ich zehn Minuten später in Vårdbo aufgetaucht, die ganze Hölle wohl erspart geblieben wäre?«
»So darfst du nicht denken.« Linn sah ihn bekümmert an.
»Wie geht es eigentlich Annika?«, fragte sie.
»Sie gibt sich große Mühe, wieder sprechen und laufen zu lernen. Aber es geht nur langsam voran. Die Hirnblutung war schwer, sie wird sich vermutlich nie ganz erholen. Trotzdem habe ich eine ganz Menge von ihr erfahren können.«
Linn spürte eine Träne im Augenwinkel. Sie wischte sie mit dem Hemdsärmel fort. »Und das andere, was du erzählt hast … Dass ihre Ärzte Narben von schweren Verbrennungen an ihrem Unterleib entdeckt haben …«
»Ja.« Magnus starrte aufs Gras.
»Können sie da was machen?«
»Das weiß ich nicht. Ich glaube, das wissen nicht mal die Ärzte.«
Linn schüttelte betrübt den Kopf: »Wenn man sich das mal überlegt … Da wird man
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