Bittere Sünde (German Edition)
durchgegangenes Pferd in ihrem Brustkorb.
Dann strauchelte sie, und der Mann setzte sich rittlings auf ihre zappelnden Beine. Seine Gesichtszüge hatten sich zu einer grässlichen Fratze verhärtet, wirkten nun wie die bizarre Parodie eines menschlichen Gesichts. Seine großen Hände bewegten sich zielstrebig auf ihre Kehle zu.
Er packte sie. Wenn er noch fester zudrückte, war alles zu spät. Sie strampelte, bis er sich ein bisschen von ihr erhob, und stieß ihm dann mit aller Kraft das Bein zwischen die Oberschenkel. Ihr Knie traf.
Der Mann brüllte wie ein verletztes Wildtier und brach schwer über ihr zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde wartete sie ab, was als Nächstes passieren würde, doch nichts geschah. Mit allerletzter Kraft schubste sie den bewusstlosen Körper von sich, drehte sich auf den Bauch und drückte sich hoch auf alle viere. Die Übelkeit ließ sich nicht länger kontrollieren, also erbrach sie sich. Ihr Hals brannte wie Feuer, als wäre ihr die Kehle zerrissen worden. Sie hustete heftig, während sie mit wackligen Beinen zum Haus stolperte.
»Magnus!«, schrie sie, die Stimme voller Verzweiflung. »Magnus, bitte!«
Sie stolperte in das dunkle Haus. Die zitternden Hände wollten ihr auf der Suche nach einem Lichtschalter nicht gehorchen. Tränen der Verzweiflung strömten ihr über die Wangen.
»Magnus!«, rief sie nun flehend. Als sie sich umdrehte, lag der Mann noch immer reglos im Garten. Endlich fand sie den Schalter, das Licht ging an. Aufs Geratewohl stürzte sie zunächst in die Küche. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Schluchzen: »Magnus, wo bist du nur?«
Sie kam wieder aus der Küche und blickte sich wild um. Das Flurlicht fiel in das dunkle Wohnzimmer – und da war er.
Linn entfuhr ein Schrei. Leblos und auf eine groteske Weise gefesselt lag Magnus mitten auf dem Boden. Sie rannte zu ihm.
»Liebling, wach auf!«, flehte sie und schüttelte ihn kräftig. Er fühlte sich warm an. Er atmete. Das war schon mal gut. Sie schloss kurz die Augen.
Ruhig, bleib ruhig.
Magnus’ Hände waren blau geschwollen. Verzweifelt blickte sie sich nach einem scharfen Gegenstand um, mit dem sie die Seile durchtrennen konnte. Sie rannte zurück in die Küche, riss vier Schubladen auf, bevor sie eine große Küchenschere fand.
Panik stieg erneut in ihr auf, als sie sich schluchzend den Fesseln an seinen Handgelenken widmete. Sie betete, dass es noch nicht zu spät war. Ihr Atem kam stoßweise, und sie hatte das Gefühl, die Zeit stünde still, während sie wie rasend die zentimeterdicken Schnüre bearbeitete. Dann hielt sie jäh inne. Das Gefühl, nicht allein zu sein, bewog sie, sich langsam umzudrehen.
Eine dunkelhaarige Frau saß auf dem Sofa und betrachtete Linn nervös. Linns Hand schloss sich so fest um die Schere, dass ihre Knöchel weiß wurden.
Die Frau öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann jedoch wortlos wieder.
»Annika Wirén?«, fragte Linn vorsichtig.
Die Frau nickte, ohne den Blick von der Schere zu nehmen, die Linn noch auf sie gerichtet hatte.
Sie sah nicht gefährlich aus, diese Annika, sie sah vielmehr zu Tode erschrocken aus. Linn wusste nicht, was sie machen sollte. War Annika Täter oder Opfer? Konnte sie ihr trauen? Konnte sie sie vielleicht sogar um Hilfe bitten?
Schritte im Flur unterbrachen ihre Gedanken. Der Mann war zu sich gekommen.
133
Als der Mann im Türrahmen auftauchte, konnte Linn ihn das erste Mal richtig sehen. Seine leicht femininen Züge standen im starken Kontrast zu seinem großen, durchtrainierten Körper. Am hervorstechendsten waren seine Augen, die auffällig glänzten. Seine grotesk verzerrte Miene war wie weggeblasen. Die Arme hingen kraftlos zu beiden Seiten, und Sorge lag auf seinem Gesicht. Er streckte beschwichtigend den Arm aus, was jedoch nicht an Linn gerichtet war, sondern an Annika.
»Was geht hier vor?« Annika sah zutiefst erschüttert aus.
»Ich habe es für dich getan. Damit du endlich frei bist.«
Der Mann machte ein paar Schritte auf sie zu, die Hand immer noch ausgestreckt. Es wirkte wie ein Flehen, als würde alles von ihrer Antwort abhängen.
Einige Sekunden lang starrte Annika ihn stumm an, dann gewann die Verwirrung Oberhand. Sie lachte nervös, fast hysterisch: »Für mich? Was meinst du? Was hast du getan?«
»Ich habe sie so leiden lassen, wie sie dich haben leiden lassen.«
Annika schreckte zurück, Tränen stiegen ihr in die Augen.
Der Mann ging weiter auf sie zu, den Arm nach wie vor
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