Bittere Sünde (German Edition)
er auf. Lange sahen sie einander in die Augen, spürten ihre Verbundenheit. Schließlich flüsterte er: »Versprichst du, bei mir zu bleiben, wenn ich dir etwas erzähle?«
»Ich liebe dich.« Ihre Stimme zitterte.
»Versprichst du, dass du bei mir bleibst?«
»Ich habe mein Leben lang auf dich gewartet. Ich hätte heiraten und Kinder kriegen können wie alle anderen, aber ich wollte etwas anderes. Als ich dich kennengelernt habe, wusste ich endlich, was das war. Meinst du wirklich, ich gebe dich jetzt so einfach wieder her?«
Carlos schloss die Augen, saugte Karinas Worte in sich auf. Sie waren heilend, tröstend.
»Ich … Ich wurde über Jahre von der Militärjunta festgehalten und gefoltert«, setzte er an. »Der Mann, dem wir gefolgt sind, war der Schlimmste von ihnen allen. Er schlug und schlug. Ich dachte, er würde mich töten. Es war heiß, über vierzig Grad, unerträglich … Ich konnte nicht atmen.«
Er verstummte, konnte nicht weitersprechen. Karina nahm seine Hand und drückte sie. Dann fragte sie vorsichtig, die Augen voller Tränen: »Was machen wir denn jetzt? Sollen wir ihn anzeigen?«
»Ich weiß es nicht. Ich will, dass er stirbt.«
TEIL DREI
Samstag, 18. Oktober
14
Roger schüttelte noch einmal seinen nassen Regenschirm und betrat dann Magnus’ Büro. Er war ziemlich aufgekratzt. Auf einer Wange prangte ein großes Pflaster, und auf seinen Händen klebten viele kleine.
»Was ist dir denn zugestoßen?«
»Ein Frettchen.« Roger klang ein wenig gequält. »Ich habe mir heute Morgen ein Frettchen zugelegt. Was soll ich sagen, ich bin ein einsamer Mann. Aber das ist völlig unwichtig. Ich habe etwas gefunden. Ich konnte nämlich gestern nicht schlafen, also bin ich hergekommen, um alles noch einmal gründlich durchzugehen. Außerdem wollte ich alles ausgraben, was es über die Berggrens zu finden gibt.«
»Und? Was hast du ausgegraben?«
»Also, ich habe mir zunächst mal Eriks Vater Gösta Berggren etwas genauer angeschaut. Wie sich zeigte, hat der gute Mann Ende der Fünfziger mal in Argentinien gearbeitet.«
»Ach ja?« Magnus sah plötzlich hellwach aus.
Roger fuhr fort: »Ja, Gösta hat bei einem Eisenbahnprojekt mitgewirkt, und zwar in einer Stadt namens La Rioja. Das eigentlich Interessante an der Sache ist aber der Grund, weshalb er wieder nach Schweden ausreiste.« Roger machte eine Kunstpause. »Ihm wurde eine Vergewaltigung vorgeworfen.«
Magnus pfiff durch die Zähne. »Was du nicht sagst …«
»Gösta Berggren wurde verdächtigt, eine Vierzehnjährige aus der Oberschicht vergewaltigt zu haben. Hätte sie nicht aus reichem Hause gestammt, wäre es vermutlich nie zur Anzeige gekommen. Besonders nicht zur damaligen Zeit.«
Magnus blinzelte nachdenklich. »Wurde er verurteilt?«
»Nein, er ist geflohen, zurück nach Schweden. Die argentinische Polizei hat zwar seine Auslieferung beantragt, aber irgendwie kam es zu Schwierigkeiten, und weil das Interesse von Seiten der Argentinier nicht gerade überwältigend war, ist die Sache im Sand verlaufen. Das habe ich alles aus unseren Akten, die Informationen sind leider wenig ausführlich. Da stand nicht mal der Name des Mädchens.«
Sie schauten sich eine Weile an. Magnus brach das Schweigen. »Weitere Details gibt’s also nicht?«
»Nein, aber ich finde, das sollten wir weiterverfolgen. Vielleicht stellt sich heraus, dass es nichts mit unserem Fall zu tun hat, aber man kann ja nie wissen.«
Magnus fuhr sich mit den Händen durch die Haare, sodass sie in alle Richtungen abstanden.
Roger fuhr fort: »Es ist jedenfalls ungewöhnlich, dass sich in ein und derselben Familie Gewalttaten so sehr häufen. Das einzige Problem an der Sache: Gösta ist tot.«
Magnus zuckte mit den Schultern. »Dann versuchen wir erst mal, das Mädchen aus La Rioja zu finden. Mittlerweile müsste sie ja …«, Magnus überlegte kurz, »fast siebzig sein, wenn sie denn noch lebt. Sollen wir uns sofort mit der Polizei vor Ort in Verbindung setzen? Kannst du Spanisch?«
»Fragst du das im Ernst? Wir müssen es mit Englisch versuchen. Wenn das nicht geht, brauchen wir einen Dolmetscher.«
Schon kurze Zeit später hatten sie die Telefonnummer der Polizei in La Rioja vorliegen. Während Magnus die lange Nummer wählte, überlegte er schon, wie er sich ausdrücken sollte. Er war nie wirklich sprachbegabt gewesen.
»Policía de la Provincia de La Rioja, Claudio Marcelo Revuelta al habla«, sagte eine männliche Stimme leise.
»Hello, I’m calling
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