Bittere Sünde (German Edition)
langjährigen Träume erfüllen. Ein kleines Schärenboot mit Achterkajüte vielleicht. Allein diese Vorstellung hob seine Stimmung.
Der Rest des Tages verlief genauso ruhig, wie Magnus es sich erhofft hatte, selbst wenn es ihm nicht ganz gelang, den Fall der Familie Berggren aus seinen Gedanken zu verbannen. Die Taten waren so unfassbar brutal, so kaltblütig.
Die ganze Familie genoss ein paar Bratwürstchen vom Picknickgrill in den Grünanlagen von Vinterviken. Die Kinder waren bester Laune und tobten glücklich über die Wiese, während die Wellen auf dem Mälarsee im Sonnenlicht glitzerten wie Diamanten. Über ihnen formten die Äste der Laubbäume ein herbstrotes Dach, durch das vereinzelte Sonnenstrahlen brachen, als wollten sie die Menschen auf dem schon leicht frostigen Boden wärmen.
Montag, 20. Oktober
16
Magnus betrat die chirurgische Abteilung des Krankenhauses von Danderyd und sah sich um. Gunvor Berggren war von der Intensivstation hierherverlegt worden, woraus er schloss, dass sich ihr Zustand gebessert haben oder zumindest stabil sein musste. Vor ihrem Krankenzimmer saß die diensthabende Polizistin Astrid Flodin und las in einem Buch. Die Brille war bis auf die Spritze ihrer leicht gekrümmten Nase gerutscht. Als sie Magnus erblickte, hellte sich ihr Gesicht auf, und sie lächelte ihn freundlich an.
»Hallo Astrid, läuft hier alles glatt?«
»Sicher. Anfangs war Frau Berggren etwas verängstigt, was aber unter den gegebenen Umständen kaum überraschen dürfte. Ansonsten kann man wirklich sagen, es läuft alles glatt. Nur große Personen scheint sie nicht zu mögen. Sobald eine größer gewachsene Schwester ihr Zimmer betritt, beschimpft sie sie als große, fette Fliege, schreit und gerät außer sich. Ich fürchte also, du wirst von ihr keine brauchbaren Informationen erwarten können.«
Magnus öffnete die Tür und betrat das Zimmer. Gunvor Berggren saß aufrecht in ihrem Bett, eine der gelben Krankenhausbaumwolldecken wärmend über sich ausgebreitet. Sie hatte blaue Flecken unter den Augen. Magnus staunte darüber, wie klein und dünn sie war. Wie ein ausgemergelter Vogel nach einem langen Winter. An ihrem mageren Handgelenk war mit einem Verband der Tropf befestigt worden. Kaum, dass sie Magnus erblickte, schossen aus ihren Augen auch schon Blitze.
»Ich möchte nichts essen!«, fauchte sie.
»Mein Name ist Magnus Kalo, ich bin Polizist. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«, sagte er mit einem Lächeln.
»Dann frag doch.« Gunvor starrte ihn wütend an.
»Jemand hat Ihnen etwas Furchtbares angetan, können Sie mir etwas darüber erzählen?« Magnus setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett und lächelte freundlich. Doch die alte Frau sah ihn nur verständnislos an, weshalb er erneut ansetzte.
»Jemand hat Ihnen wehgetan, Frau Berggren …«
»Es tut weh«, wimmerte sie und führte unbeholfen ihre Hand zur Stirn.
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Wissen Sie, wer das war?«
»Könnte ich Suppe bekommen? Ich mag Suppe.« Gunvor sah Magnus auffordernd an.
Der schlug nun einen strengeren Ton an. »Wer hat Sie verletzt, Frau Berggren?«
»Du bist doof. Wo ist meine Mama? Die ist nett.«
Gunvor sah Magnus unschuldig an, der resigniert seufzte.
»Das weiß ich nicht, Gunvor. Aber es war schön, dass ich ein bisschen mit dir reden konnte.«
Er nahm ihre Hand in seine, und sie erwiderte den leichten Druck mit einem breiten Lächeln.
»Du bist lieb.«
»Du auch, Gunvor. Pass auf dich auf.«
Er schnappte sich seine Jacke vom Stuhl neben der Tür, verabschiedete sich von Astrid und lief zum Aufzug.
Als er gerade auf den Knopf drücken wollte, legte sich eine Hand auf seine Schulter. Sie gehörte zu einer attraktiven Frau mit hochgesteckten schwarzen Haaren, die schätzungsweise Mitte Vierzig war und einen weißen Arztkittel trug.
»Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich bin Cia Herdik, Frau Berggrens Ärztin. Hätten Sie einen Moment Zeit?«
»Sicher.«
»Frau Flodin hat mir gesagt, wer Sie sind, und es gibt da etwas …« Sie schaute sich besorgt um. »Kommen Sie mit, hier können wir nicht offen sprechen.«
Sie gingen ein Stück den Gang hinunter und betraten ein Behandlungszimmer. Magnus setzte sich auf die Liege, sehr darauf bedacht, das Schutzpapier nicht zu zerknittern. Cia Herdik ließ sich auf einem Stuhl nieder, die Hände im Schoß gefaltet.
»Ich habe Frau Berggren untersucht und dachte mir, dass Sie vielleicht an den Ergebnissen interessiert
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