Bittere Sünde (German Edition)
nach, was sie gesagt hatte. »Meinst du, das ist eine Form von Blutrache? Gösta ist doch schon so lange tot.«
Linn zuckte mit den Schultern. »Aber da steckt sicher ein Trauma hinter.«
»Ja, vielleicht. Was ich außerdem auffällig finde, ist, dass der Täter überhaupt nicht versucht hat, sein Verbrechen zu vertuschen. Wir sollen sehen, was passiert ist, und kein Detail soll unbeachtet bleiben.«
Linn schaute nachdenklich auf den dampfenden Tee in ihrer Tasse. »Stimmt … Und ihr könnt vermutlich davon ausgehen, dass euer Täter sonst eher unauffällig auftritt.«
»Wie meinst du das?«
»Na, wenn jemand über so viel Selbstbeherrschung verfügt, dass er in aller Seelenruhe so eine Tat verüben kann, dann zeigt er die gleiche Selbstbeherrschung auch in seinem Alltag. Die meisten werden ihn gar nicht bemerken.«
»Ach so?«
»Ich schätze, der Täter hat nur eine vage Vorstellung davon, wie andere Menschen denken und fühlen, doch mit der Zeit wird er gelernt haben, welches Verhalten man von ihm erwartet, damit er nicht weiter auffällt. Wenn er irgendwo einer regelmäßigen Arbeit nachgeht zum Beispiel, dann wird er sich dort entweder eher ausweichend geben oder einer dieser Typen sein, die oft in Auseinandersetzungen geraten.«
»Also eher eine geringe Sozialkompetenz?«
»Alles andere würde mich überraschen. Um zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen, muss man Grenzen erkennen können, und das kann diese Person ganz offensichtlich nicht.«
Linn legte die Hände hinter den Kopf und betrachtete die Reispapierlampe an der Decke.
»Aber ich glaube nicht, dass er eng mit anderen Menschen zusammenarbeitet.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil der wohl nicht so auf Teamwork steht, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Wie lautet denn deine Diagnose?«
»Eine Ferndiagnose möchtest du haben?« Linn lachte laut. »Na, verrückt ist er, vollkommen verrückt.«
»Jetzt mal im Ernst.«
»Also gut, aus dem Stegreif würde ich spekulieren, dass er narzisstisch-psychopathische Züge hat. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass der Mord an Erik so viel von einem Opferritual hat. Vielleicht will er imponieren.«
Magnus rieb sich nachdenklich das Kinn. »Du meinst, ein einfacher Mord reicht ihm nicht?«
»So ungefähr.«
»Was denkst du, war der Täter vielleicht mal in der Psychiatrie?«
»Durchaus möglich. Überprüft doch mal die Männer, die freiwillig in die offene Psychiatrie gegangen sind. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass er mal dort aufgetaucht ist, wenn es ihm schlecht ging.«
Magnus machte ein enttäuschtes Gesicht. »So was können wir nicht untersuchen, solange wir keinen Verdächtigen haben. Sag mal, warum sprichst du überhaupt die ganze Zeit von einem Mann? Bist du sicher, dass das ein Mann gewesen sein muss?«
Nun sah Linn verwundert aus.«Ja, du etwa nicht?«
»Keine Ahnung.«
»Du glaubst also, das war eine Frau?«, hakte Linn nach.
»Ja, ich glaube, wir suchen eine Frau«, gab Magnus widerwillig zu.
»Ich tippe auf einen Mann, vermutlich in den besten Jahren. Die Tat hat schließlich gewisse Muskelkraft erfordert. Ich könnte nicht gerade einen großen Kerl auf einen Tisch hieven.« Linn wackelte auffordernd mit ihren Zehen, in der Hoffnung, dass Magnus ihre Füße massieren würde.
»Meinst du, es handelt sich um eine Person, die allein lebt?«
»Kann ich nicht sagen, aber wenn sie oder er in einer Beziehung lebt, läuft die sicher katastrophal.«
»Warum?«
»Weil so jemand bedingungslos von seinem Partner bewundert werden möchte. Bleibt diese Bewunderung aus, kann er bedrohlich werden. Seine Freundin wäre in ernster Gefahr …«
»Würde er handgreiflich werden?«
»Nicht unbedingt, aber er würde sie auf jeden Fall bestrafen, wahrscheinlich sehr heftig.«
»Hat er sich schon einmal an ihr vergangen?«
»Vermutlich.«
»Wieso bleibt sie dann bei ihm?«
Linn gähnte und antworte dann mit ironischem Unterton: »Na, das Übliche. Er sagt, dass er mich liebt, und macht alles für mich, und eigentlich habe ich mich falsch verhalten, also habe ich nichts anderes verdient, als gepeitscht zu werden, das war ja nicht seine Schuld, bla, bla, bla … Dieser ganze elende Sermon eben, den misshandelte Frauen üblicherweise von sich geben.«
Linn zog die Beine an den Körper und trank einen Schluck Tee, während sie ihren Mann über den Rand der blauen Tasse betrachtete.
Magnus schaute zweifelnd drein. »Das kann schon stimmen, was du da sagst. Ich glaube
Weitere Kostenlose Bücher