Bittere Sünde (German Edition)
etwa beobachtet? Gesehen, wie sie zu Abend aßen, sich dann bettfertig machten und schlafen gingen?
»Hast du den Bereich um die Terrasse schon abgesucht?«
»Ja, aber es gab keine Spuren. Ich melde mich, wenn ich doch noch was herausfinde.« Er schaute Magnus voller Mitgefühl an. »Vielleicht solltest du ein paar Tage freinehmen«, sagte er noch, bevor er das Zimmer verließ.
Magnus schnappte sich den Telefonhörer und wählte Linns Nummer. Er musste sie informieren, auch wenn sie sicher wütend werden würde. Erst wütend und dann ängstlich, aber das konnte ihr ja niemand verübeln. Sie verabscheute seinen Beruf, und ihm wurde immer klarer, dass sie auch allen Grund dazu hatte.
Es tutete sieben oder acht Mal, doch niemand hob ab. Er fluchte leise und legte wieder auf.
Verstört schob er seinen Stuhl so weit nach hinten, dass er den Kopf gegen die Wand lehnen konnte. Am liebsten hätte er den Schuldigen in Stücke zerlegt, aber bisher hatte Magnus nicht mal ein Gesicht, auf das er seinen Hass richten konnte. Es gab nicht einen einzigen Verdächtigen, und die Zeit lief ihnen davon, tickte unerbittlich weiter wie die Uhr in seinem Zimmer.
Er kritzelte ein paar Anhaltspunkte auf ein Blatt Papier. Jemand hatte vor dreißig Jahren einen Hund mit kochendem Wasser misshandelt, und nun waren Erik und Gunvor auf die gleiche Weise gequält worden. Dann war da noch der einer Vergewaltigung bezichtigte Familienvater, Gösta, aber hatte diese alte Geschichte überhaupt mit dem Fall zu tun? Wenn Gösta nicht längst eines natürlichen Todes gestorben wäre, hätten sie schon lange einen Verdächtigen, aber so gab es doch überhaupt kein einleuchtendes Motiv. Oder sah er einfach nicht klar? Vielleicht sollte er auf Elias hören und sich freinehmen. Aber wie sollte er das machen?
Er stand auf und ging zur Tür. Er musste etwas tun, die Sache vorantreiben. Er konnte doch nicht einfach tatenlos zusehen, wenn jemand versuchte, alles zu zerstören, was er liebte.
31
Osvaldo Ortiz hatte die Hauptstraße und die weiße Kapelle, die mittig im Dorf lag, ein gutes Stück hinter sich gelassen, als er Domeniques Haus erblickte. Es war alt und verwohnt. Der weiße Putz war zu großen Teilen abgebröckelt und die Dachziegel waren gesprungen. Trotzdem machte es einen gemütlichen Eindruck. An der Fassade rankten lilafarbene Bougainvillea und wilder Wein empor, und rechts und links wurde die abgenutzte blaue Eingangstür von Blumenkübeln mit Kräutern und Gewürzpflanzen flankiert, vor denen Ortiz den Wagen abstellte. Sein blaues Hemd wies bereits große, dunkle Schweißflecken unter den Armen auf, und er atmete schwer. Er war weit über sechzig und hatte nie sonderlich auf seine Gesundheit geachtet. Fettiges Essen, Zigaretten und Alkohol hatten Spuren hinterlassen, und allmählich bekam er die Quittung.
Ortiz strich mit dem Finger über das Kreuz aus vergoldetem Silber, das er um den Hals trug, und fischte eine Packung Camel aus dem Handschuhfach. Er zögerte kurz, lehnte sich dann aber doch im Fahrersitz zurück und zündete sich eine Zigarette an. Der erste Zug war unbeschreiblich gut, wie immer.
Er hatte sich nicht auf das Treffen vorbereiten können, deshalb überlegte er nun, welches Ziel er sich dafür stecken wollte. Aber noch bevor er sich einen Plan zurechtlegen konnte, kam eine gebückte, alte Frau in einem schwarzen Kleid und einer weißen Strickjacke auf ihn zu. Domenique Estrabou schaute ihn verwundert an, während er die Fahrertür öffnete.
32
Roger saß an seinem Schreibtisch und starrte finster vor sich hin. Den Kopf hatte er so weit wie möglich eingezogen, sodass der kurze Hals vollkommen verschwand. Ungeduldig klopfte er mit einem Stift auf den Tisch. Als er das Büro betrat, erkannte Magnus auch schlagartig den Grund dafür. Arne Norman saß Roger nämlich gegenüber und kippelte mit dem Stuhl. Selbst er sah verstimmt aus.
»Schau an«, sagte er, als er Magnus erblickte. »Du hast es also nicht geschafft, dich von hier fernzuhalten. Du solltest doch ein paar Tage freinehmen. Du arbeitest wesentlich besser, wenn du ausgeglichen bist, und das bist du gerade ja wohl definitiv nicht.«
Magnus schob das Kinn vor. »Mir geht es gut. Außerdem sind wir unterbesetzt, und ich werde hier gebraucht.«
Arne zögerte, dann schüttelte er sich leicht, als könnte er so seine Zweifel loswerden. »Also gut, zu wenige sind wir wirklich.«
Roger warf Magnus einen verstohlenen Blick zu. Er hatte seine Bedenken. Es konnte
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