Bittere Sünde (German Edition)
wuchern und sprießen lassen, bis es auch zu uns herübergewandert ist. Ganz schön unverschämt, wenn Sie mich fragen.«
»Gab es jemand, der sich durch ihn besonders gestört gefühlt hat?«
»Nein. Also zumindest nicht so sehr, dass man ihn dafür erschlagen müsste. Er wurde doch erschlagen, oder?«
Maud betrachtete Magnus neugierig. Sie erinnerte ihn irgendwie an einen ausgehungerten Hund, der am Tisch um Futter bettelte. Sie war jedenfalls ähnlich nervtötend.
»Dazu darf ich mich nicht äußern«, erwiderte er trocken.
Das Leuchten verschwand jäh aus Mauds Augen. »Soso«, kommentierte sie sauer.
»Haben Sie denn im fraglichen Zeitraum jemanden gesehen, der für unsere Ermittlungen relevant sein könnte?« Magnus bezweifelte, dass das der Fall war. Sie schien mehr Interesse daran zu haben, Informationen zu bekommen, als welche zu liefern.
»Möglich«, sagte sie listig. »Wurde er denn nun erschlagen?«
Magnus seufzte tief. »Wenn Sie etwas wissen, sind Sie dazu verpflichtet, auszusagen.«
Maud schob das Kinn vor und schien ihre Alternativen abzuwägen. »Vielleicht erinnere ich mich ja an etwas«, sagte sie spitz.
Um ihr Informationen zu entlocken, musste Magnus also pokern. Er hoffte, ihre Aussage war es wert. »Sie sind ziemlich gewitzt, muss ich sagen. Ich kann zumindest verraten, dass wir in einem Mordfall ermitteln, es handelt sich also nicht um Totschlag.«
Maud lächelte zufrieden. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich habe jemanden mit einem Fahrrad aus dem Tor zum Garten der Berggrens kommen und kurz darauf losfahren sehen.«
»Wieso haben Sie das nicht schon bei der ersten Befragung erwähnt?« Magnus schaute die Frau ernst an.
»Weil ich es nicht für wichtig gehalten habe. Ich sollte mich bei der Befragung kurzfassen, also habe ich mich auf das Wichtigste beschränkt.«
Magnus atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
Du dummes, idiotisches Miststück
, dachte er, zwang sich aber, ruhig zu klingen. »Haben Sie die Person erkannt? War es vielleicht Erik Berggren selbst?«
»Nein, das kann er nicht gewesen sein. Erik hatte Übergewicht und nur noch wenige Haare, diese Person war schlank. Aber ich habe sie nur von hinten und aus vielleicht fünfzig Metern Entfernung gesehen, weil ich gerade dabei war, die Tür zu meinem Gartenhäuschen aufzuschließen.«
»Können Sie sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hat? Was hatte die Person an?«
»Das weiß ich nicht, dafür war ich zu weit weg.«
»Gab es denn sonst irgendetwas Auffälliges, das Ihnen ins Auge gesprungen ist?«
Maud legte die Stirn in Falten. »Wer immer das war, hat sich auf das Fahrrad gesetzt und ist losgefahren. Erst dachte ich, er oder sie hat irgendwas auf dem Grundstück angerichtet, doch dann ist mir aufgefallen, dass eine Tüte auf der Treppe stand. Keine Ahnung, was da drin war, aber auf die Entfernung sah es aus wie eine von diesen lilafarbenen Tüten vom Schnapsladen, in die immer das richtig hochprozentige Zeug gepackt wird.«
»Wie alt war die Person? Können Sie das irgendwie einschätzen?«
»Auf jeden Fall nicht so alt wie ich. Ich springe nicht mehr so wendig auf Fahrräder.« Mauds Augen hatten ihren lüsternen Schimmer verloren, sie wirkte nun eher müde. Sie kramte ein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. »War das alles?«
»Ja, für den Moment. Wissen Sie noch, wann Sie die Person gesehen haben?«
»Das war morgens, ziemlich genau um halb sechs.«
»Das wissen Sie noch so genau?«
»Ja, manchmal frühstücke ich in der Laube, bevor ich zum Treffpunkt gehe. Und ich komme immer gegen halb sechs im Garten an. Dann hab ich noch ein bisschen Zeit, was zu erledigen, bevor ich wieder los muss. Wobei man sich zu dieser Jahreszeit ja sowieso nur um die Winteräpfel kümmern muss.«
»Was ist denn der ›Treffpunkt‹?«
»Das ist ein Ort, wo sich alte Menschen wie ich treffen und Freunde finden können. Sie werden auch noch merken, dass viele, die Sie heute für Freunde halten, gar keine sind. Man kann sich nur auf wenige verlassen, wenn es darauf ankommt. Schlussendlich hat man aber doch nur sich selbst.« Maud lächelte. Es war offensichtlich, dass es sie zutiefst befriedigte, diesem jungen Polizisten etwas vom wahren Leben zu erzählen.
Magnus war erleichtert, als sie ging. Er machte eine kurze Pause und lüftete die Bitterkeit aus dem Zimmer, die wie Dunst im Raum hing. Er fragte sich, was Maud Rydberg wohl zu der unangenehmen Person gemacht hatte, die sie
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