Bittere Sünde (German Edition)
übermorgen beerdigt, wenigstens einer oder eine von uns sollte sich dort blicken lassen.«
So etwas wie Scham flog flüchtig über Sofies Gesicht, dann rührte sie wie manisch in ihrem Kaffeebecher. »Da kann ich leider nicht, da bin ich verabredet«, murmelte sie, während sich langsam Röte von ihrem Hals Richtung Wangen ausbreitete.
»Meine Mutter kommt morgen zu Besuch und bleibt ein paar Tage, aber ich kann natürlich trotzdem …«
Magnus lächelte. »Nein, nein, dann übernehme ich das. Kümmere dich mal um deine Mutter.«
»Ja … danke.« Roger sah nur mäßig begeistert aus, und Magnus schätzte, dass er seiner Mutter nur zu gern gesagt hätte, er würde auf der Arbeit gebraucht.
Sofie schaute Roger fassungslos an. »Freust du dich etwa nicht, dass deine Mutter dich besuchen kommt?«, fragte sie, als wäre ein gutes Verhältnis zu den Eltern eine Selbstverständlichkeit.
»Doch, doch, Besuch von Muttern ist jedes Mal eine Freude«, antwortete Roger. Eigentlich war die Ironie nicht zu überhören, Sofie gelang es wohl trotzdem.
Magnus lächelte, er hatte Rogers Mutter schon mehrfach getroffen. Sie war eine kleine, untersetzte Frau mit Dauerwelle und Brille. Ganz wie ihr Sohn hörte sie sich gern selbst reden, aber im Unterschied zu ihm hatte sie eine wirklich enervierende Art. Es gab kein Thema, zu dem sie nicht eine Meinung hatte und sie für die unanfechtbar richtige hielt, ganz egal ob es sich um die Frettchenhaltung oder die Aufklärung von Mordfällen handelte. Die einzig gute Seite, die Magnus an ihr erkennen konnte, war, dass sie mit ihrer absurden Selbstsicherheit äußerst unterhaltsam war.
Roger wechselte das Thema. »Vielleicht sollte jemand von uns nach Argentinien fliegen und sich mit Domenique Estrabou treffen. Ist doch möglich, dass dort des Pudels Kern liegt.«
Magnus wirkte nicht überzeugt. »Und was soll das bringen? Das, was Ortiz herausgefunden hat, reicht doch. Gösta und Josef wirken nicht gerade so, als wären sie Unschuldslämmer gewesen. Es ist definitiv denkbar, dass ihnen auch andere zum Opfer gefallen sind.«
»Ja, möglich«, sagte Roger gedämpft.
Arne, der sich bisher gar nicht geäußert hatte, zuckte mit den Schultern. »Und wenn wir nicht mehr vorweisen können, werden die Reisekosten auch nicht bewilligt. Wir sollten uns vorerst auf Schweden begrenzen, finde ich. Meist sind es ja doch den Opfern nahestehende Personen, die …«
Roger fiel ihm ins Wort. »Trotzdem fühlt es sich so an, als würde uns der Mörder an der Nase rumführen. Neulich ist auf der Straße ein Typ an mir vorbeigelaufen und hat mir direkt in die Augen gestarrt. Ich hab ehrlich gesagt eine Scheißangst bekommen.« Er wandte sich an Magnus. »Dieser Kerl hat deinen Namen herausgefunden, Magnus, und deine Adresse. Und er hat keine Sekunde gezögert, auch das Leben deiner Familie aufs Spiel zu setzen.«
»Tja, das nächste Mal kommt er vielleicht zu dir …« Magnus schaute ihn müde an.
Rogers Gesichtsausdruck wurde ernst. »Hör bloß auf. Die ganze Sache ist verdammt grässlich und geht weit über das hinaus, womit wir es normalerweise zu tun haben.«
Arne nickte zustimmend und schaute besorgt von einem zum anderen. »Ja, ihr müsst wirklich sehr vorsichtig vorgehen. Ganz besonders vorsichtig.«
Montag, 27. Oktober
56
Erik Berggrens Beerdigung fand in der Kirche von Österåker statt, einem alten Kirchengebäude, das von hügeligen Feldern, tiefen Wäldern und verstreut liegenden roten Häuschen umgeben war. Über den Wiesen hing noch immer leichter Frühnebel nach der frostigen Nacht, in der Kirche selbst war es jedoch angenehm warm. Magnus war nicht sonderlich überrascht, dass er der einzige Trauergast war. Erik schien in den letzten Jahren keinen Kontakt zu anderen Menschen außer seiner Mutter gehabt zu haben, und es hallte leer, als Magnus sich auf eine der grauen Bänke setzte.
Heimlich hatte er gehofft, dass auch der Mörder erscheinen würde, um über seine Tat nachzudenken, wie Mörder im Film das manchmal taten. Aber das war natürlich naiv. Magnus’ einzige Gesellschaft war Erik selbst, der vorn in seinem Sarg ruhte. Ein bescheidenes hellgrünes Tuch war darüber ausgebreitet worden, und darauf lag eine einzelne rote Rose.
Magnus fühlte sich unwohl, er musste an die Beerdigung seines Vaters denken, die schon einige Jahre zurücklag. Magnus war erst fünfzehn gewesen, als der Autounfall geschehen war, aber die Erinnerung daran war noch immer frisch. Er konnte sich
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