Bittere Sünde (German Edition)
verwaschenes gelbes Polohemd und eine Jeans, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatte. Dazu noch die Bartstoppeln und das strubbelige Haar, er sah aus, als hätte er dringend Urlaub nötig.
Als Magnus genauer hinschaute, fielen ihm auch noch die dunklen Ringe unter seinen Augen auf. Er seufzte. Sie schufteten gerade alle ziemlich hart. Er fasste den Entschluss, Roger zu einem Bierchen in die Stadt einzuladen. Das war genau das, was sie brauchten.
Nicht lange darauf betraten die beiden eine Sportbar in Södermalm.
An der Wand hing ein großer Plasmafernseher, und eine Gruppe Eishockeyfans jubelte laut, sobald die schwedische Nationalmannschaft ein Tor machte. Die Kollegen fanden schnell eine versteckte Nische in dem lauten Lokal. Magnus betrachtete heimlich die anderen Gäste, während Roger zur Bar ging, um Bier zu holen.
Hauptsächlich drängten sich junge Männer um die Tische, aber es saßen auch ein paar Frauen dazwischen. Sie wirkten alle so froh und unbekümmert, dass Magnus richtiggehend eifersüchtig auf sie wurde. Es war lange her, dass er mal richtig ausgelassen und entspannt gewesen war. Er dachte an Linn und die Kinder und an die Gefahr, in der sie schwebten. Sein Anteil daran war groß. Er hatte sie alle mit in die Sache hineingezogen und musste allmählich mal dafür sorgen, dass sich ihr Leben wieder zum Guten wandte.
»Ich hab das Größte bestellt, du kannst es brauchen«, sagte Roger und stellte einen großen Bierkrug mit Schaumkrone vor ihm ab.
»Ja, das kann ich.«
Roger wurde ernst. »Mir liegt viel an dir, Magnus … Ich möchte, dass du auf dich aufpasst.«
Magnus hob die Augenbrauen. Er fühlte sich überrumpelt. Roger drückte selten seine Gefühle aus – abgesehen natürlich von den Momenten, in denen er wütend war. Er wusste zwar, dass sie Freunde waren, aber so klar hatte das bisher keiner von ihnen ausgesprochen.
Er nickte, teils gerührt, teils verlegen.
»Na«, sagte Roger, »was meinst du, finden wir raus, wer diese Frau ist?«
Magnus zog die Schale mit den Erdnüssen zu sich und zuckte ratlos die Schultern. »Was meinst denn du?«
»Ich schätze, die Chancen stehen ziemlich gut. Aber eins weiß ich mit Sicherheit.«
»Was denn?«
»Dass diese Erdnussteller, die in Bars auf Tischen stehen, ganz schön widerlich sind. Die haben mal welche aus Kneipen mitgenommen, untersucht und darin Urinspuren von sechsunddreißig verschiedenen Personen nachgewiesen. Davon mal ganz abgesehen geht gerade wieder ein Magen-Darm-Virus um.«
Magnus verzog angeekelt das Gesicht und schubste die Schale bis ans andere Ende des Tischs. »Wenn ich jetzt noch Magendarm kriege, ist die Kacke echt am Dampfen.«
Roger lachte, und sein kräftiger Bauch hüpfte dabei.
Magnus lehnte sich zurück. Das würde ein lustiger Abend werden.
104
Ein paar Kilometer entfernt am Mälarstrand stand ein Mann in der Dunkelheit und blickte über das Eis. Seine Hände zitterten, und sein Brustkorb hob und senkte sich so heftig, als würde er weinen.
Dann setzte er sich in Bewegung, betrat das gefrorene Wasser. Die Schritte knirschten im Schnee, während er sich immer weiter vom Festland entfernte. Als er an der Kante stehen blieb, wo eine Fahrrinne in das Eis gebrochen worden war, konnte man ihn vom Ufer aus kaum noch sehen.
Lange blieb er dort stehen, als würde er über etwas nachdenken, während das Wasser wild und rastlos gegen die scharfen Eiskanten schlug. Dann steckte er die Hand in die Jackentasche und zog etwas heraus. Eine Pistole. Er hätte sie fast im Auto vergessen. Er beugte sich leicht vor und ließ sie ins glitzernde Wasser fallen. Als sie verschwunden war, drehte er sich hastig um und marschierte über das Eis zurück. Dann durch das Waldstück, wobei ihn die Schleifspur beunruhigte, die der Leichnam im matschigen Schnee hinterlassen hatte. Am Auto angelangt, schaute er sich erst um, bevor er die Tür des grünen Fords öffnete und einstieg. Sein Instinkt sagte ihm, dass er so schnell wie möglich verschwinden sollte, aber er musste vorher noch etwas erledigen. Ungeschickt fummelte er am Handschuhfach, kramte dann Lappen und Reinigungsspray hervor und stieg wieder aus. Ein leises Klicken war zu hören, als er die Klappe vom Kofferraum öffnete. Betrübt starrte er auf den dunklen Blutfleck.
Donnerstag, 20. November
105
Als die Sonne aufging, war Jonas Orling bereits im Präsidium. Er war schon immer Frühaufsteher gewesen. An diesem Morgen war er um fünf Uhr aufgewacht, hatte dann
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