Bittere Sünde (German Edition)
Haferflockenbrei und Käsebrote gefrühstückt, gespült und sich angezogen. Statt wie sonst die Zeit vor dem Fernseher oder bei anderem Unsinn zu vertrödeln, wollte er an diesem Tag lieber sofort zur Arbeit fahren. Es erwarteten sie nämlich die Listen von all den älteren Frauen, die Hüftprothesen von
Exeter
bekommen hatten. Er wollte einfach rechtzeitig vor Ort sein, denn er hoffte, dass nur wenige Frauen die gleiche Körpergröße hatten wie das Opfer. Außerdem suchte gerade jeder verfügbare Polizist nach Gunvor Berggren. Was, wenn er es war, der den entscheidenden Hinweis fand, der zu ihrer Rettung führte? Wenn er heldenhaft Pedro Estrabou schnappen würde, kurz bevor er seinen nächsten Mord beging?
Ein breites Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. Er hatte bereits am Vorabend einen Tipp bekommen, dem er nachgehen wollte. Es gab eine verlassene Hütte in Brottby, die seit Kurzem wieder bewohnt schien.
Er kritzelte eilig eine Nachricht für Magnus auf einen Zettel und legte sie auf dessen Schreibtisch. Dann fischte er seine Autoschlüssel aus der Tasche, ging in die Tiefgarage und begab sich auf die bedeutendste Reise seines Lebens.
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Die Nachricht, dass die Polizei Pedro Estrabou wieder auf freien Fuß gesetzt hatte, war für ihn ein Schlag ins Gesicht gewesen. Genauso schmerzhaft und demütigend wie die Peitschenhiebe in den Folterkammern der Junta. Wieso hatten sie ihn laufen lassen? Das war doch die reinste Verarschung aller, die wie er von Pedro misshandelt worden waren. Und aller trauernden Angehörigen noch dazu.
Die schwedische Polizei war ein verdammt unfähiger Haufen, die hatten einen Mörder aufgegriffen, ein Monster, aber das war ihnen offensichtlich scheißegal.
Carlos Fernandez blickte auf seine Hände, die auf dem Küchentisch lagen. Karina sollte von all dem nichts erfahren, so viel stand für ihn fest. Dieser Kerl hatte ihm so viel genommen, aber damit war jetzt ein für alle Mal Schluss. Nie wieder würde Pedro Einfluss auf sein Leben nehmen. Es war vorbei, und Carlos würde nie wieder einen Gedanken an ihn verschwenden müssen.
Er schloss die Augen und atmete die kühle Luft ein, die durch die undichten Fenster eindrang.
Karinas fröhliche Stimme kam aus dem Schlafzimmer.
»Es ist so unglaublich schön, dass du wieder zu Hause bist. Ich habe wie ein Stein geschlafen letzte Nacht. Du auch?«
Er klang heiser, als er antwortete. »Ja.«
»Ich wollte gleich noch einkaufen fahren. Gibt es etwas Besonderes, was ich dir mitbringen kann?«
Carlos öffnete die Augen und schaute verträumt aus dem Fenster. Jetzt klang seine Stimme anders, leichter. »Ja, wieso bringst du nicht eine Flasche Champagner mit? Ich finde, wir sollten heute Abend anstoßen und feiern.«
107
»Das kann überhaupt nicht nach Verwesung gerochen haben!«, sagte Arne halblaut, als er durch die Tür zu Magnus’ Büro trat.
»Was meinst du?« Plötzlich hatte Magnus das Gefühl, ihm läge ein Stein im Magen.
»Dass ihr das erste Mal auf dem Hof wart, ist doch schon ewig her. Das war lange, bevor die Frau ins Gebälk gehängt wurde.«
Magnus betrachtete seinen Chef, einen Mann, der seine Unsicherheit durch arrogantes Auftreten zu überspielen versuchte. Sein Hirn suchte fieberhaft nach einer Ausrede. Es durfte absolut niemand erfahren werden, dass Linn auf den Hof gewesen war.
»Ich war noch einmal dort.«
»Wie bitte?«
Magnus lächelte diplomatisch. »Ich wollte den Ort auf mich wirken lassen, auf neue Ideen kommen. Die Besitzer hatten ja zugestimmt, dass wir uns dort umsehen durften.«
Arne merkte, wie ihm der Wind aus den Segeln genommen wurde. Er nickte. »Nächstes Mal will ich aber verdammt noch mal vorab wissen, was du machst. Und das gilt nicht nur für dich, das gilt für alle hier!«, sagte er säuerlich, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand erhobenen Hauptes.
Magnus schluckte heftig. Einen Augenblick lang fühlte er sich wie ein Lügner. Mit einer gewissen Verwunderung stellte er fest, wie nervös ihn das Gespräch gemacht hatte. Aber er hatte sich nicht verplappert, und das war alles, was zählte.
Er klemmte sich ans Telefon, um Linn anzurufen, aber sie meldete sich nicht. Sofort krampfte sich sein Magen panisch zusammen, doch dann fiel ihm wieder ein, dass sich Linn heute noch einmal im Krankenhaus zur Nachuntersuchung vorstellen sollte. Erleichtert atmete er auf und sah sich in seinem Büro um. Die kriminaltechnische Untersuchung war abgeschlossen, der Bericht lag auf der
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