Bittere Sünde (German Edition)
glänzenden, spitzen Gegenstände auf dem Hocker neben ihr. Die Fonduegabel. Und über die Latexhandschuhe – solche, wie sonst Ärzte sie trugen. Das alles kam ihr komisch vor. Leise rief sie: »Gösta? Bist du hier?«
Doch niemand antwortete.
Mittwoch, 19. November
102
Die Tote, die sie auf dem Hof gefunden hatten, gab ihnen immer noch Rätsel auf. Wer war sie bloß?
Obwohl sie intensiv sämtliche Vermisstenmeldungen durchgegangen waren, wurde keine ältere Dame gesucht, deren Beschreibung zu der zierlichen Frauenleiche passte.
Magnus beobachtete Eva Zimmer, die über die Leiche gebeugt dastand. Ungewöhnlicherweise schien draußen die Sonne, und die Strahlen fanden sogar ihren Weg durchs Fenster herein. Magnus fielen kleine Staubpartikel auf, die traumgleich durch den hellen Obduktionssaal schwebten. Er war froh, dass er bereits zu Mittag gegessen hatte, weil er nicht damit rechnete, nach seinem Besuch hier noch großen Appetit zu haben.
»Gibt es denn gar nichts, was uns voranbringen könnte?«, fragte er.
Die Rechtsmedizinerin lächelte gequält. »Also, es sieht ganz so aus, als wäre sie von vorn erstochen worden. Der Winkel deutet an, dass sie dabei saß. Möglicherweise am Vormittag, weil ich in ihrem Magen nur ein paar Frühstücksflocken und etwas Sauermilch gefunden habe, was für mich sehr nach Frühstück aussieht.«
»Es wirkt so, als ob sie bisher nicht als vermisst gemeldet wurde.«
»Das hab ich schon gehört, ganz schön traurig.«
»Ja.« Magnus wandte sich zum Gehen, doch als er bereits an der Tür angelangt war, rief Eva ihn zurück.
»Willst du gar nicht wissen, warum ich dich hergebeten habe?«
Magnus hob die Augenbrauen.
Eva fuhr fort. »Ich habe den Leichnam geröntgt und dabei festgestellt, dass die Frau eine Hüftprothese hat.« Sie räusperte sich. »Deshalb habe ich die Leiche noch einmal geöffnet und mir die Prothese näher angeschaut.«
»Warum? Ist das so ungewöhnlich, oder kann man anhand dessen die Frau vielleicht identifizieren?« Eine leise Hoffnung keimte in ihm auf.
»Ganz genau. Es gibt unterschiedliche Hersteller, und die Krankenhäuser arbeiten mit unterschiedlichen Lieferanten zusammen. Diese ist von
Exeter
, hier hab ich dir die Identifikationsnummer der Prothesenart aufgeschrieben. Jetzt musst du nur noch herausfinden, wer solche Fabrikate verwendet.« Sie reichte Magnus einen Zettel.
Magnus lachte laut, und sein Herz machte einen Satz. »Das ist ja wunderbar«, entfuhr es ihm.
Ein Lächeln umspielte Evas Lippen. »Hm … Ja, damit können sich dann ja deine lieben Kollegen heute Nachmittag die Zeit vertreiben. Ich bringe gleich auch noch einen Bericht zu euch auf den Weg, mit noch ein paar weiteren Informationen.«
103
Die vorhandenen Zeugenaussagen und sonstigen Tipps hätten schon ausgereicht, um Jonas Orling und alle anderen die ganze Nacht durch zu beschäftigen, doch die neuen Informationen zu der Hüftprothese drängten alle anderen Anliegen vorübergehend in den Hintergrund.
Jonas wirkte von allen am aufgeregtesten über diese neue Wendung. Nach Pedro Estrabous Verschwinden hatte er sich beschämt auf die hoffnungslose Suche nach dem grünen Ford gemacht und sah jetzt eine Möglichkeit, seinen Fehler auszubügeln. Eine Möglichkeit, die er unmöglich verstreichen lassen konnte. Im ganzen Raum herrschte plötzlich freudige Erwartung, und schnell sorgten die vielen Telefonate mit den unzähligen Krankenhäusern und Kliniken für ein lebhaftes Gemurmel.
Magnus saß vor seinem Computer. Er wollte sich nicht zu früh freuen, hoffte aber inständig, dass sie nun endlich die Identität der alten Frau feststellen würden. Und was, wenn es eine direkte Verbindung zwischen der Toten und Pedro gab? Dann hätte er endlich keinen Grund mehr zu zweifeln. Dann wüsste er endlich, wer es auf seine Familie abgesehen hatte.
Pedro war nun seit fast vierundzwanzig Stunden verschwunden, weshalb sich die Polizei wieder an die Öffentlichkeit wandte. Die bisher veröffentlichten Fotos hatten Aktualität missen lassen, doch nun gab es neue Bilder vom Tag des Verhörs. Diese sollten jetzt in jeder erdenklichen Zeitung erscheinen und in jeder Fernsehsendung gezeigt werden. Pedro wurde offiziell weiterhin als Zeuge gesucht, was kein großes Problem darstellte, weil nicht bekannt geworden war, dass er schon einmal verhört wurde.
Magnus warf einen Blick durch die Glastür. Roger hing mehr an dem hohen Konferenztisch, als dass er sich daran lehnte. Er trug ein
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