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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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als ob er sich versicherte, dass ihn niemand beobachtete, dann bewegte er sich im Krebsgang auf die Saaltür zu.
    Der Mann hatte etwas vor, ohne jeden Zweifel. Seine Haltung war ähnlich wie die des Kellners vor den Fresken, er schaute sich so betont unauffällig um, dass es auffallen musste, dann eilte er weiter. Gelassen folgte ihm Frank, niemand hielt sie auf.
    Sie durchquerten den Flur, dann den Saal mit den Fresken, Strozzi schlenderte weiter durch die Ausstellung etruskischer Vasen im ehemaligen Frauenhospital. Dahinter begann der Teil des Ospedale Santa Maria, den Frank nicht kannte. Er wurde restauriert, Mauersteine lagen herum und Werkzeuge, Wände waren mit Planen abgehängt, Decken durchbrochen, und provisorische Treppen führten über Stahlgerüste abwärts. Er hörte Strozzi bereits eine Etage tiefer, beugte sich übers Geländer und sah, wie er einer Schubkarre auswich und zwischen Baugerüsten verschwand. Frank musste sich beeilen. Er hatte keine Erklärung für sein Verhalten, es war einzig die Körpersprache des Avvocato, die ihn folgen ließ.
    Er fand Strozzi wieder, der in der Tiefe des Gebäudes eine düstere, fensterlose Kapelle betrat. Lediglich auf dem Altar brannten rechts und links der aufgeschlagenen Bibel zwei Kerzen und ließen den Goldschnitt des Buches glimmen. Gespenstisch war der Anblick, archaisch, Religion in Verbindung mit Angst statt mit Gnade. Frank gruselte es nicht, aber das hier war beileibe kein gesegneter Ort. Waren hier die Messen für die Sterbenden des Hospitals gelesen worden?
    Der Avvocato betrat den Raum, fast wurde er von der Dunkelheit verschluckt, ging mit leicht geneigtem Kopf suchend durch die Stuhlreihen. Er blieb stehen, sah sich um und setzte sich ans äußere Ende der vorletzten Reihe. Jetzt bemerkte Frank, der hinter einer Flügeltür stehen blieb, dass Strozzi sich neben jemanden gesetzt hatte. An dem kurz geschnittenen Haar erkannte er die Frau: Sie hatte dem Kellner die Plastiktüte mit den Spritzen gegeben.
    «... hat seine Aufgabe gut gemacht...»
    «Kann man sich auf ihn verlassen?», flüsterte die Frau.
    «Absolut. Ich kenne ihn lange. Außerdem ist er mir verpflichtet, er kann es sich gar nicht leisten ...»
    Als ein Arbeiter in den Tiefen des Hauses Steine ablud, was lautes Poltern zur Folge hatte, verstand Frank die nächsten Sätze nicht, bis es wieder leise wurde.
    «... habe ich an der Reaktion gesehen», sagte Strozzi.
    «Dann müssen wir ihn nicht mehr bearbeiten?»
    «Unwahrscheinlich, der ist so weit.»
    «Das gefällt mir nicht, besser nicht so schnell. Wir sollten zwei Tage warten ...», sagte die Frau.
    «Das geht nicht. Sie wollen Resultate. Nein, wir müssen zu Ergebnissen kommen. Wir brauchen etwas zum Vorzeigen. Es geht alles zu langsam, kostet zu viel Zeit und Geld ...»
    «Nicht so laut.»
    «Ich hoffe, Sie haben sich in Bezug auf San Gimignano an unsere Abmachung gehalten?»
    Frank sah nicht, ob die Frau nickte, er musste seinen Platz verlassen, denn Besucher kamen die Treppe herunter und näherten sich der Kapelle.
    Eine knappe Viertelstunde mochte Frank wieder oben im Saal gewesen sein, als ihn jemand unvermittelt von hinten ansprach: «Kommen Sie hier herüber», sagte eine bekannte Stimme. Frank erschrak, es war Avvocato Strozzi.
    «Machen Sie eine Foto von den Signori da drüben!» Der Anwalt sprach im Befehlston, zeigte auf eine Dreiergruppe und stellte sich dazu.
    Ist der meschugge? Frank blickte den Anwalt verständnislos an, dann fiel der Groschen, und er lachte. «Gern, volentieri, sofort.» Avvocato Strozzi musste ihn für einen vom Consorzio engagierten Fotografen halten, nur so jemand ließ sich derart herumkommandieren. Frank beschloss, das Spiel mitzumachen. Vielleicht kam er auf diese Weise weiter an den Avvocato heran, denn es interessierte ihn zunehmend, was die filmreife Nummer mit dem Kellner und das geheime Zusammentreffen im Untergrund des Ospedale zu bedeuten hatten.
    Mal wurde Frank hierhin geschoben, danach dorthin gezerrt, er fotografierte den Anwalt mal mit zwei Winzern, dann mit drei Önologen, und als Avvocato Strozzi sich bei der Unbekannten und ihrer Freundin einhakte und Frank aufforderte, ein Gruppenbild zu machen, glaubte er, zwischen sich und ihr etwas wie eine Art Einverständnis zu bemerken. Aber in Bezug auf Frauen bildete man sich vieles ein ...
    «Ein Gärfehler ... ein Gärfehler soll es sein», hörte Frank eine Stimme hinter sich. «Beide Proben. Alle Jurymitglieder sind sich

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