Bitterer Jasmin
engen Kabine lag Peters hochgebettet mit offenen Augen. Der Kopfschmerz war fast unerträglich, das Rollen und Hämmern der Maschine machte ihm die Wachzeit entsetzlich. Dazu kamen die Hitze und der Gestank nach Dieselöl. Schweißgebadet lag er da, mit nacktem Oberkörper, nur ein Tuch bis zur Mitte. Eine Wasserkaraffe stand auf dem Brett neben seinem Bett. Er trank ununterbrochen davon. Sie hatten ihm Aspirin gegen die Schmerzen gegeben, aber die Wirkung war gleich Null. Es hämmerte in ihm mit solcher Gewalt, daß er meinte, der Kopf würde sich wie eine Nuss spalten, auf die man schlug. Das Boot bewegte sich gleichmäßig, die Maschine lief auf vollen Touren.
An seine eigene Sicherheit dachte er gar nicht, konnte überhaupt nicht gezielt denken. Seine letzte Erinnerung war die an Eileen, wie sie auf der Bahre in die Klinik getragen wurde. An das Taxi und den Treffpunkt im Hafen vermochte er sich nicht mehr zu erinnern. Er sah stets nur Eileens Gesicht, wie sie ihn anlächelte – das einzige Angenehme beim Wachsein. Aber sie verschwand immer wieder. Auch andere Bilder tauchten auf, sie schwebten wie Luftblasen im Zimmer. Seine Mutter, mit enttäuschtem Gesicht, sie klagte: »Du redest von der Liebe zur Menschheit und kannst nicht mal einen einzigen Menschen lieben.« Er wurde sehr zornig, nannte sie eine Lügnerin, und sie verschwand wieder, als hätte jemand an der Ballonschnur gezogen. Sein Vater, der Lehrer aus der Oberschule – Peters rief die Visionen nicht herbei, sie kamen ohne jeden Zusammenhang, einer nach dem anderen. Madeleine, tot im Garten. Er schloß die Augen. Unfähig zu lieben … Er versuchte, sich Eileen ins Gedächtnis zu rufen, kämpfte gegen die anderen Gesichter, gegen ihr wirres Geflüster.
Die kleine Kabinentür wurde geöffnet, der junge Italiener trat ein; er hatte Peters rufen gehört und war die Treppe heruntergeeilt.
»Alles in Ordnung?« fragte er auf französisch. »Brauchen Sie was?«
Peters versuchte, sich aufzusetzen. Wollte etwas sagen, aber plötzlich schwoll der Schmerz in seinem Kopf zu einem Crescendo an. Die Embolie im vorderen Hirnlappen zerbarst; massive Blutungen setzten in Sekundenschnelle ein, er fiel aufs Lager zurück, schloß die Augen und rief nur noch ein Wort. Der junge Mann beugte sich über ihn und rannte dann an Deck zum Kapitän. Wenig später standen die beiden an seinem Bett. Die Jacht schwankte im Wasser, die Motoren schwiegen. Der Altere schüttelte den Kopf.
»Wenn man sich nach einer schweren Gehirnerschütterung nicht gleich hinlegt, passiert so etwas. Hat er noch irgend was gesagt?«
»Ja, es klang wie ein Frauenname.«
»Er ist für unsere Sache gestorben«, sagte der Altere und hob die geballte Faust zum Gruß. »In den Hafen können wir ihn nicht bringen, wir müssen ihn auf See bestatten.«
***
Am frühen Nachmittag des gleichen Tages erwachte Eileen aus tiefem Schlaf. Als erstes erblickte sie eine Riesenvase mit Rosen, die James geschickt hatte. Sie spürte keine Schmerzen, war nur zutiefst beunruhigt, als ob irgend etwas schiefgegangen wäre. Man hatte die Vorhänge halb zugezogen, das Zimmer war kühl und schattig. Neben dem Bett saß eine Krankenschwester und strickte. Sie hörte ein Geräusch und sah auf. Eileen rannen Tränen übers Gesicht. Rasch eilte sie zu ihr.
»Was ist? Haben Sie Schmerzen? Warten Sie, ich bringe Ihnen etwas.«
Sie konnte das Undefinierbare nicht entwirren, den inneren Schmerz, für den es keine Erklärung gab. Sie nahm die Tabletten, die die Pflegerin ihr gab, und hielt ihre Hand. Erst nach einer Weile schlief sie wieder ein. Wußte nicht, und würde es nie erfahren –, daß sie in dem Augenblick erwacht war, als Peters Hunderte Kilometer von ihr entfernt starb.
***
Im Herbst gab Logan Field in der VIP-Halle des Londoner Flugplatzes eine Pressekonferenz. Er war von Teheran eingeflogen, eine Horde Pressefotografen und Fernsehreporter erwartete ihn. Logan saß bei einem Glas Whisky-Soda an einem Tisch und verlas eine vorbereitete kurze Erklärung. James Kellys letzter Dienst für ihn, ehe er die Firma verließ. Die Antworten auf fast alle Fragen waren darin vorweggenommen.
Die Imperial Oil habe einen Vertrag mit der Iranischen Ölgesellschaft über die Ausbeutung der Ölschätze von Imshan geschlossen. Kein Kommentar über die Reaktionen der Vereinigten Arabischen Republik anlässlich der Ankündigung, daß der Zusammenschluss die Ölpreise senken könnte.
»Haben Sie den Schah gesehen, Mr.
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