Bitterer Jasmin
Liebes!«
Peters rutschte zur Seite, fiel neben dem Wagen auf den Boden. Eileen beugte sich über ihn. Er atmete schwer, das Gesicht war grau und schweißbedeckt.
Außer seinem Keuchen hörte man keinen Laut. Eileen nahm den Browning vom Boden auf. Die Handgranate lag daneben. Eiförmig, mit dem kleinen Abzugsring an der Seite. Sie sah irgendwie bösartig aus. Man zog, zählte bis drei und warf dann … In einem geschlossenen Raum erfolgte der Tod durch den Explosionsdruck. Sie erinnerte sich an Kriegsfilme, bei denen die Bunker oder Grabenlöcher jeweils mit Granaten ausgeräuchert wurden. Schwer und kalt war das Ding. Ihre Hände zitterten. Wenn der Franzose auf sie zu kroch, mußte sie sich genau an die Vorschriften halten. Zählen, werfen. Wenn sie sie nun fallen ließ oder falsch zählte? Sie sah auf Peters, der noch immer neben dem Luxuswagen lag, und war froh, nicht die Flucht ergriffen zu haben, wie er ihr befohlen hatte. Er hatte keinen Beschützer außer ihr. Der Gedanke ließ sie ganz ruhig werden. Sie setzte sich und wartete, ob irgendein Geräusch das Näher kommen Resnais' anzeigte.
Der schwang sich gerade auf den Balkon im ersten Stock. Er war an einer Regenrinne hochgeklettert, über ein Vorratsraumfenster, dessen breites Sims guten Halt gab, drückte jetzt die Balkontür auf und lief sofort zur Küche hinunter. Aus dem offenen Funkraum hörte er Ticken, blieb kurz stehen und beschloß, die Botschaft zu übernehmen; Peters wußte ja nicht, daß er ihm nicht mehr im Garten auflauerte, und würde wohl kaum in diesem Augenblick aus der Garage kommen. Er nahm den Kopfhörer und schrieb mit.
»Frühere Nachricht bestätigen. Aktion wegen Homsis Verhaftung gestrichen. Erbitten Bestätigung. Exekution der Geisel. Wiederhole: Bestätigung nötig und Codesignal für Aufbruch.«
Homsi verhaftet! Er ließ sich die Nachricht abermals durchgeben, inzwischen verdaute er den Schock: Über die Nachricht einerseits und darüber, daß sie offenbar schon einmal durchgegeben, von Peters übernommen worden war. Eileen Field war also zu exekutieren, und das Team sollte sich auflösen. Er gab keine Antwort, ließ das Ganze noch ein drittes Mal durchlaufen. Alles umsonst also. Madeleine tot. Der Mordversuch an Peters, die ganze Terroraktion – für nichts und wieder nichts. Sollte man ruhig glauben, daß die Villa schon leer sei. Das Funkgerät hätte ja nach der Instruktion für derartige Fälle zerstört werden müssen. Aber der Held, den er als verunglückt bei einem Verkehrsunfall gemeldet hatte, war von den Toten auferstanden und steckte jetzt mit der Geisel in der Garage. Resnais wußte nicht, welche Erklärung man dafür letzten Endes offerieren konnte, aber er würde sie jedenfalls nicht geben. Nicht, bevor er in Paris alles eruiert hatte. Und das ging nur, wenn Peters und Eileen tot waren.
Er rannte weiter in die Küche, öffnete das Waffenlager und stopfte sich in jede Hosentasche zwei Granaten. Auf Zehenspitzen eilte er dann durch den gedeckten Gang, den auch Peters zur Garage benützt hatte. Kurz vor der Tür schlich er sich wie eine Katze auf Mäusefang an, nahm eine Granate in die Linke und drückte mit der Rechten ganz leise die Klinke herunter.
Und dann stand er hinten in der Garage und machte noch einen einzigen Schritt nach vorne, immer im Schatten der Tür. Peters und Eileen Field waren noch hier, das wußte er. Er hatte den Instinkt eines Tieres für die Gegenwart von Feinden. Mit zwei Granaten ließ sich die Sache deichseln. Er holte die zweite aus der Tasche, öffnete dann die Tür ganz vorsichtig weit genug, um sich vorbeugen und gezielt werfen zu können.
***
Die Polizeipatrouillen erschienen in der Morgendämmerung in allen Häusern, die von Algeriern oder Arabern bewohnt wurden. Nichts Verdächtiges ergab sich. Einige scheinbare Sympathisanten der Palästinenser wurden aufs Polizeihauptquartier gebracht und befragt. Ein Sonderkommando unter Führung eines Gendarmeriebeamten und eines Interpolbeamten kam gerade um acht Uhr morgens bei der Villa an. Der arabische Millionär war wohlbekannt am Ort, hatte gute Kontakte zum Bürgermeister und zur Polizei. Seine große Jacht kreuzte zur Zeit in den griechischen Gewässern. Abgesehen von Gerüchten über seine politischen Neigungen, war ihm nichts vorzuwerfen, was eine Razzia in seinem Haus während seiner Abwesenheit gerechtfertigt hätte. Bei den armen algerischen Arbeitern, die man aus den Betten riß und in der Polizeistation verprügelte,
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