Bitterer Jasmin
gefahren?«
»Weil ich meinen Zug erwischen muß.«
»Na schön. Dann nehmen wir eben zusammen das nächste Taxi.«
Sie stiegen ein; Madeleine nannte dem Fahrer eine Adresse in Pimlico, hinter dem Bahnhof. Es war ein drittklassiges Hotel, in dem man sich um die Kunden kaum kümmerte. Auch stundenweise konnten dort Paare unterkommen, ohne Anstoß zu erregen.
»Guten Flug gehabt?«
»Sehr gut sogar und sehr langweilig. Ich hasse die Fliegerei.«
»Du siehst gut aus.« Resnais wußte, wie alle aus der Gruppe, daß sie mit dem Amerikaner schlief. Er wußte auch, daß sie ihn nicht mochte, und ihre Haltung amüsierte ihn. Frauen hatte er noch nie als gleichberechtigt akzeptiert. Er arbeitete mit ihnen zusammen, aber sie hatten für ihn nur eine Funktion, und die war nicht revolutionär. Geliebt hatte er noch nie in seinem Leben; dafür besaß er eine sentimentale Ader für Hunde, die einmal für ihn fast tödlich ausgegangen wäre. Auf einem Vorposten in Syrien hatte er sich eines halbverhungerten Köters angenommen, beim Angriff in der Morgendämmerung war ihm das Tier nach Israel gefolgt und bellend zum Kibbuz gelaufen. Trotzdem hielt er sich in seiner kleinen Pariser Wohnung einen Schäferhundbastard. In seiner Abwesenheit kümmerte sich ein Freund um diesen Hund. Er hatte ihm erklärt, daß er seinen kranken Vater in Marseille besuchen müsse.
»Alles in Ordnung?«
»Nach Peters Meinung, ja«, antwortete sie. »Und wenn er es sagt, wird es wohl stimmen. Heute abend treffen wir uns. Wir beide bleiben diese Nacht in Pimlico und sehen morgen weiter.«
»Und Peters?«
»Er kommt woanders unter. Wir treffen uns dann erst wieder zum Abflug.«
Resnais lachte. »Das wird dir nicht gerade passen, was?«
Madeleine sah aus dem Fenster. Reihe um Reihe sauberer Vorstadthäuschen, die alle gleich aussahen.
»Wir sind auf Kommando«, sagte sie, ohne Resnais anzusehen. »Vielleicht der wichtigste Auftrag bisher. Deine müden Witze sind hier nicht angebracht.«
Er lachte erneut.
Im Hotel trugen sie sich ein und gingen ins Zimmer hinauf. Madeleine öffnete ihren Koffer und nahm ein Nachthemd heraus. Resnais beobachtete sie.
»Schade, daß du mich nicht leiden kannst, Chérie. Ich muß wohl auf dem Fußboden schlafen?«
»Nein«, sagte Madeleine, und ihr Blick streifte ihn kurz. »Im Sessel. Wir müssen etwa eine Stunde hier bleiben, dann können wir zum Abendessen ausgehen. Peters hat mir gesagt, wo wir hin sollen. Wir treffen ihn dort.«
Sie nahm eine französische Illustrierte aus dem Koffer, setzte sich aufs Bett und blätterte darin. Resnais räkelte sich in dem zerfransten Lehnstuhl und überlegte, ob sein Hund ihn wohl vermißte.
***
Um halb sieben kam Eileen am Eaton Square an. Kelly hatte per Telegramm ihre Ankunftszeit angekündigt. Der portugiesische Butler öffnete die Haustür, nahm ihr den Koffer ab und hieß sie willkommen.
»Danke, Mario. Ist alles in Ordnung?«
Eine bloße Floskel. Der Haushalt lief wie am Schnürchen. Sie hatten jede Menge Personal, und Logan zahlte erstklassig, verlangte allerdings auch exzellente Bedienung dafür. Trotz der Knappheit an Haushaltspersonal bekam er, was er wollte. Typisch für ihn. Die Halle zierte ein wunderschönes Arrangement frischer Blumen. In ihrem Zimmer standen Treibhausrosen, und das Mädchen wartete schon auf sie, um ihr den Mantel abzunehmen und ihr ein Bad zu richten. Seit Jahren lebte Eileen in diesem Stil, und nach der ersten Reaktion auf diese Lebensart, die sich so von ihrer irischen unterschied, hatte sie diese Bequemlichkeit voll akzeptiert. Es gehörte eben dazu, wenn man mit einem reichen, anspruchsvollen Mann verheiratet war. Die Einrichtung des Hauses hatte sie selbst übernommen, hatte sich geweigert, den Innenarchitekten zu holen, der Logans Büros eingerichtet hatte. Logan gefiel die von ihr gewählte elegant-luxuriöse Ausstattung. Er hatte eine natürliche Begabung, Qualität zu erkennen, und ihr Geschmack war genau das, was ihm vorschwebte. Eileens Vater hatte ihm zur Hochzeit ein phantastisches irisches Chippendale-Schreibpult geschickt. Es war eine großzügige unrealistische Geste, von der Logan nichts hielt, zumal der Mann so wenig Geld hatte. Er hätte sich lieber seinen Schreibtisch selbst gekauft und wäre dafür in den Jahren danach nicht um Anleihen gebeten worden, die ohnehin nie zurückgezahlt wurden.
Eileen ging in den Oberstock. Das kleine, weißgestrichene Gitter mit dem Sicherheitsriegel war angebracht worden, um Lucie
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