Bitterer Jasmin
»Ich lasse Ihnen die da«, sagte er und legte Zigaretten und Streichhölzer aufs Bett.
»Die Frage hätte ich wohl nicht stellen sollen«, meinte sie bitter. »Sie müssen auch nicht antworten. Ich kann mir's selber denken. Könnten Sie bitte das Gitter vom Fenster wegmachen?«
Er rüttelte daran, wie sie zuvor. Es ging über fünfzehn Meter tief auf die Felsen hinunter, und die Brandung toste gegen die Steine. An den Mauern befanden sich keine Regenrinnen oder Vorsprünge. Außer Selbstmord war hier nichts drin.
»Na schön, ich lass' es morgen entfernen.«
»Vielen Dank. Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen?«
»Peters«, sagte er. »Brauchen Sie sonst noch was?«
»Was zu lesen.«
»Ich werde mal sehen, was da ist.«
Als er weg war, rannte sie zum Fenster und zerrte am Maschendraht. Sobald der weg war, konnte sie vielleicht doch hier raus. Wahrscheinlich ging es steil runter, sonst würde Peters die Bitte nicht gewährt haben. Sie war ganz nervös von dem Gespräch – daß er offensichtlich nichts gegen sie hatte, irritierte sie irgendwie. Gegen ihn anzukämpfen wäre einfacher gewesen. Er würde sie nicht grausam behandeln oder peinigen, aber jederzeit erschießen, wenn der Befehl dazu kam – dessen war sie ganz sicher. Als junges Mädchen hatte sie nur die fröhlichen jungen Irländer gekannt, mit denen sie auf Jagd ritt oder irre Feste feierte, bei denen man sich mit Semmeln bewarf und mit Sodawasser bespritzte. Männer hatten sich in sie verliebt, sie hatte mit ihnen geflirtet. Wäre Logan Field nicht ein Nachbargut besichtigen gekommen, würde sie wohl einen der vergnügten jungen Burschen geheiratet haben, die bei Parties das Geländer runterrutschten. Es gab niemanden in ihrer Bekanntschaft, der ihrem Entführer glich. Sie war mit Logan anfangs viel herumgereist – hatte einen Monat in den Staaten verbracht und viele verschiedene Amerikaner kennen gelernt; alles gastfreundliche, angenehme Leute. Peters schien skandinavisches Blut in sich zu haben – er war groß und kräftig, bewegte sich aber in der lockeren Art, die so typisch für Amerikaner war. Logan hatte einmal gemeint, die Engländer wirkten im Vergleich zu ihnen verkrampft.
Er sprach kein Wort zuviel, hatte kalte, stahlblaue Augen – ausdruckslose Augen, auch wenn er sie anblickte. Weder Feindschaft noch Misstrauen spiegelten sich darin – nichts! Instinktiv spürte sie, daß aggressives Verhalten ihr nichts bringen würde. Es war nicht leicht gewesen, den Impuls zu bezwingen, sich mit gekrallten Fingern auf ihn zu stürzen, als er so gleichmütig erklärte, was man mit ihrem Kind vorhatte. Sie hatte die Ruhe bewahrt und dadurch Wichtiges erreicht – der Maschendraht wurde abgenommen. Wie hoch mochte das Fenster liegen? Vielleicht konnte sie ein Stück weit klettern und sich dann fallen lassen … sie war eine geübte Schwimmerin. Die Laken, die Bettdecke – die Handtücher, die er ihr gebracht hatte. Daraus ließ sich vielleicht ein Seil machen. Sie befeuchtete sich im Bad das Gesicht. Stickig heiß war es im Zimmer. Noch nie hatte sie jemandem etwas durch Schlauheit abluchsen müssen – wie schnell man im Unglück dazulernte!
Die Zigaretten, die ihr Peters dagelassen hatte, bildeten eigentlich keine Notwendigkeit für sie. Als sie sich eine anzündete, kam ihr zuerst dieser Gedanke, und dann der, daß Logan an Peters Stelle ihr keine gegeben hätte. Und bestimmt auch das Gitter nicht abnehmen lassen würde. Nicht, weil er unmenschlich war oder es genoß, grob zu sein. Gefangene leben hinter Gittern und rauchten nicht – das war seine realistische Einstellung. Sie drehte die Zigarette zwischen den Fingern.
Die kalten Augen, die unpersönliche Haltung ihr gegenüber. Sie erinnerte sich, wie grob er mit ihr umgesprungen war, als sie landeten, wie er ihr auf der Fahrt zur Villa die Pistole zwischen die Rippen drückte. Unwillkürlich erschauerte Eileen. Sie durfte ihn nicht verärgern, mußte ruhig und würdevoll auftreten, das hatte offenbar die beste Wirkung auf ihn. Mußte ihm danken, wenn er ihr das Essen brachte, und sich gelassen und geduldig zeigen.
Bis zu ihrer Befreiung – die kommen würde, kommen mußte! Bisher hatten ihre Gedanken über das klügste Verhalten Peters gegenüber nur kritische Erinnerungen an Logan in ihr geweckt. Sie schämte sich ihrer Eifersucht und Kleinlichkeit. Eifersucht, weil er eine andere erwählt hatte, all ihre gemeinsamen Jahre, das Glück, das sie beide erfahren hatten,
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