Bitterer Jasmin
Imshan aufgeben – das Wichtigste in seinem Leben? Für niemanden würde er das aufgeben! Außer für Lucie. Für mich bestimmt nicht.«
Peters blickte auf sie hinunter. Tränen rannen ihr über das Gesicht, verschmierten die Schmutzspuren.
»Wie viele Leute wissen davon?«
»Nur unser Direktor in Teheran. Ihm habe ich es vor der Abreise in Teheran gesagt.«
Er zog sie vom Bett hoch und hielt sie fest, ohne ihr näher zu treten.
»Wenn es nicht allgemein bekannt ist, überlegt er es sich vielleicht noch«, überlegte er. »Er kann Sie doch nicht jetzt im Stich lassen! Wie sollte er danach weiterleben? Wir müssen einfach hoffen, daß er doch umfällt. Solange unsere Leute es nicht herausfinden …«
Wenn man in Damaskus entdeckte, daß sie als Geisel wertlos war, würde der Schießbefehl kommen. Er hatte sich bisher vorgemacht, daß Eileen freigelassen würde, sobald Field auf die Forderungen einging. Inzwischen waren ihm schon Zweifel gekommen. Und jetzt war ihr Leben keinen Pfennig mehr wert. Plötzlich zog er sie an sich. Küßte sie nicht, aber strich ihr kurz übers Haar. »Ich kann Sie nicht gehen lassen«, erklärte er. »Es ist unmöglich. Aber ich kann Ihnen versprechen, daß niemand Ihnen etwas tun wird. Wie immer die Sache ausgehen mag – ich werde dafür sorgen, daß Ihnen nichts passiert. Vertrauen Sie mir?«
Eileen lehnte sich gegen ihn; sie war schrecklich müde, als hätte sie allen Widerstandswillen, alle Kraft bei der Flucht eingebüßt. Als sie das Tor verschlossen fand, war alles zu Ende. Schon ehe sie wußte, daß der Preis für ihr Überleben von Logan nie gezahlt werden würde. Der Mann, der sie jetzt an sich drückte, machte sich Gedanken um sie, ihr eigener Mann nicht. Er versprach ihr etwas, was gleichbedeutend war mit Verrat an seiner politischen Überzeugung und seinen politischen Freunden.
»Niemand wird Ihnen etwas tun.« Fast drei Wochen lang hatte sie sich gegen die Versuchung aller Gefangenen gewehrt, sich emotional an den Bewacher zu binden, der freundlich zu ihr war. Hatte voller Furcht und Ungewissheit gelebt, den Überfall Resnais überstanden und irgendwie Mut und Hoffnung nicht verloren. Jetzt fühlte sie nur seine Stärke und die Wärme seines Körpers. Er begehrte sie, und sie spürte, wie die Spannung in ihm stieg. Er war der einzige Freund auf der Welt, den sie noch hatte. Die psychische und physische Versuchung, nachzugeben, war stärker als alles, was sie je empfunden hatte. Da draußen war die Welt, mit der sie keinen Kontakt mehr hatte, von der sie vergessen worden war. Isoliert und eingesperrt hatte sie in der Villa gelebt, wie eine Fliege im Bernstein. Peters war der einzige reale Bezug für sie. Er hatte sie vor Resnais geschützt und versprach ihr, sie weiter zu beschützen.
»Ich will es Ihnen so leicht wie möglich machen. Sie wissen jetzt, daß Sie hier nicht raus können. Wenn Sie mir gehorchen, dann besteht jede Hoffnung, daß alles noch gut wird.«
Sie sah zu ihm auf. Ja, er schien es ehrlich zu meinen.
»Ich muß jetzt hinuntergehen, die anderen beruhigen, damit sie keinen Verdacht schöpfen.« Er ließ sie los und sah zurück.
»Kommen Sie dann wieder?«
»Nur wenn Sie es wollen«, gab er zur Antwort. »Aber es gehört nicht zu meinen Bedingungen.«
»Das habe ich auch nicht gemeint«, sagte sie und wiederholte dann ihre Frage als Bitte. »Kommen Sie wieder!«
***
Es war der französische Nationalfeiertag, man gab eine Party auf der Botschaft. James Kelly, der zwei Jahre seine Diplomatenkarriere in Paris verbracht hatte, mochte Frankreich und seine Menschen. Und weil er ihre Kultur anerkannte, hatte er viele Freunde unter den Franzosen. Da er es zu Hause alleine nicht ausgehalten hatte, war er schon früh gekommen. Am Vormittag hatte er sich mit Saud Homsi getroffen, diesmal auf dem Basar in Südteheran, in einem schmuddligen kleinen Büro hinter einem Messingladen für Touristen. Hatte Logans Gegenforderung überbracht – einen Beweis, daß Eileen noch lebte, sonst würde er sich von Imshan nicht zurückziehen. Das Treffen währte nur kurz, der Syrer war genauso heuchlerisch und aalglatt wie beim erstenmal. Er äußerte Bedenken wegen Logans Flucht nach Tokio, aber James versicherte ihm, daß die Reise ausschließlich den Zweck habe, die Verhandlungen zu unterbrechen. Dann fügte er noch einen Nachsatz hinzu. »Sagen Sie den Leuten von der Befreiungsarmee, daß ich persönlich mich genauso wie Mr. Field dafür einsetze, daß die
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