Bitterer Jasmin
seinem Assistenten prophezeit hatte: James Kelly hatte nichts verraten, sondern er und Field suchten etwas zu verbergen. Es war noch früh am Abend und ziemlich hell, aber im Gebüsch des weitläufigen Gartens konnte sich leicht jemand ungesehen verstecken. Unter dem Schatten an der Mauer war einer, der sich bewegte. Jussuf Ibrahimi war mit dem Mietpersonal für die Party auf das Gelände gekommen. Er wußte von seinem Bruder Habib, daß Minister zu Einladungen ausländischer Botschaften gingen, und einer der Freunde seines ermordeten Bruders hatte ihm rechtzeitig mitgeteilt, daß Khorvan an diesem Abend auf der französischen Party sein würde. Die Zeit der Rache war gekommen. Der Verräter und Mörder würde sich hier mit den kapitalistischen Feinden seines Landes unterhalten. Zwei Stunden vor dem Eintreffen der Gäste hatte sich Jussuf versteckt. Er spürte keine Angst, nur eine Entschlossenheit, die ihn so sehr erfüllte, daß er zitterte. Jussuf Ibrahimi war ein armer, schwacher Mann, Staub unter den Füßen der Reichen und Mächtigen. Hatte sein Leben lang mit dem Hunger gekämpft, schlief den Schlaf der Erschöpfung. Einen Schlaf, der nur Flucht vor den Anstrengungen der grausamen Arbeit für Sklavenlohn war. Sein Bruder Habib hatte ihm gesagt, dies alles würde sich ändern. Warum, hatte er nicht verstanden, aber ihm geglaubt und gehofft. Jetzt trat Khorvan ins Blickfeld. Tadellos gekleidet in seinem maßgeschneiderten Anzug, mit Diamanten an den Manschettenknöpfen. Habibs Bruder kam es vor, als umgebe ihn eine Aura von Blut. Er streckte sich etwas, fuhr mit der Hand in den Hosenbund und ergriff sein langes scharfes Messer. Der Minister war schlechter Laune. Am Tag zuvor hatte er sich nicht wohl gefühlt, und wie viele Perser lebte er in schrecklicher Angst vor Krankheit. Tausend alarmierende Erklärungen waren ihm für seine Unpässlichkeit eingefallen, und sein Modearzt hatte ihn nicht beruhigen können. Lieber wollte er sich in London untersuchen lassen. Am Tag danach war er beim Schah in Audienz gewesen, und das versetzte ihn in einen mindestens ebenso schlimmen Zustand wie die Bakterien, die er irgendwo aufgesammelt hatte. Der Schah verlangte einen Bericht über die Verhandlungen mit der Imperial Oil, deren Präsidenten er empfangen wollte. Der Minister sollte ihm alle Details unterbreiten. Eine Fähigkeit zeichnete Seine Majestät vor allem aus – seine Begabung, andere Leute richtig einzuschätzen. James Kelly und Logan Field und seine Mitarbeiter konnte Khorvan hinters Licht führen, ihnen ausweichen. Beim Schah gelang ihm das nicht. Er wollte die Konzession der Imperial Oil zuteilen, wenn auch unter schärfsten Bedingungen. Es sollte Khorvans Aufgabe sein, die Imperial in eine Position zu drängen, die es ihr fast unmöglich machte, die gestellten Forderungen zu erfüllen und gleichzeitig die Regierung in eine Lage zu bringen, die eine Zurückweisung der Imperial Oil ohne Gesichtsverlust nicht mehr erlaubte. Auf diesem Drahtseil zu balancieren war schwierig genug, und dazu Logan Field als Verhandlungspartner genügte, einem Menschen wie Khorvan Magenbeschwerden zu bereiten. Er nippte an seinem Orangensaft und sehnte sich insgeheim nach den Wunderkräften eines guten, puren Scotch. Der Minister fühlte sich nicht in der Lage und auch nicht verpflichtet, den geselligen Partygast zu spielen, und als Kelly sich direkt an ihn wandte, tat er, als habe er ihn gar nicht bemerkt. Vier Leute umgaben ihn. Zwei Franzosen, ein Beamter der Handelsabteilung der britischen Botschaft und Kelly. Sie standen vor den Büschen, die ihren undurchdringlichen Schatten auf die Mauer warfen. James wartete kurz, ob Khorvan sich ihm doch zuwenden würde, und wurde dann plötzlich ungeduldig. Als Diplomat hatte er genug schlechte Manieren und Langeweile ertragen müssen, aber als Angestellter der Imperial Oil hatte er dies nicht nötig. Er wollte eben dem Minister den Rücken zuwenden, als einer der Schatten plötzlich Form annahm und sich aus dem Gebüsch löste – eine gebückte Form mit erhobenem Arm. Ehe Kelly noch erkannte, was da vor sich ging, sprang der Schatten auf den Minister zu. Khorvan wurde mitten im Wort vom Messer getroffen, sein Glas fiel zu Boden und zersplitterte; er schrie heiser auf und fiel nach vorne. Instinktiv griff Kelly nach dem flüchtenden Mörder. Der kleine drahtige Mann schlug um sich und kratzte, keuchte wüste Beschimpfungen. In der Menge ertönte ein schriller Schrei. Im ersten Augenblick
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