Bitterer Jasmin
waren alle wie gelähmt. Der Schrei löste die Spannung. Wenige Sekunden später halfen andere Gäste, den Mörder zu überwältigen und zu Boden zu werfen. Kelly kniete neben Khorvan, der auf dem Rücken lag. Einer der Franzosen hatte ihm die Jacke geöffnet und die Krawatte gelockert. Und dann befand sich plötzlich Ardalan neben James und wandte den Kopf des Ministers nach oben. Die Augen waren verdreht. Der Oberst legte ihm die Hand auf die Brust, wartete kurz und drehte den Körper zur Seite. Aus dem Rücken des Toten ragte unter der linken Schulter ein Messergriff hervor. Ardalan sah sich um. »Der Minister ist tot«, sagte er, stand auf und ging zu dem Täter, den zwei Gäste immer noch auf den Boden pressten. »Bringen Sie ihn bitte hinein«, gab er Anweisung, »meine Leute holen ihn dann. Ich muß alle, die den Mord sahen, zu mir bitten. Der Herr Botschafter wird mir sicher einen Raum zur Verfügung stellen.«
Der Botschafter selbst brachte Oberst Ardalan ins Haus. Gäste, die Ardalan nicht helfen konnten, gingen heim, die Party war zu Ende. James gab seine Erklärung als erster ab. Ardalan war höflich und ruhig wie immer – er trug die Maske des freundlichen Obersten zur Schau. Niemand, der es nicht wußte, hätte den Chef der gefürchteten SAVAK dahinter vermutet. James berichtete, wie der Mann vorgesprungen war und zugestoßen hatte und wie er ihn an der Flucht hinderte.
»Die Engländer behalten doch immer einen kühlen Kopf«, lobte ihn der Oberst. »Seine Kaiserliche Majestät wird Ihnen für die Ergreifung des Mörders sehr dankbar sein.«
»Gräßliche Sache«, sagte James. Er hatte noch nie einen Mord mit ansehen müssen; es war abscheulich. Genauso abscheulich war es ihm auch, miterleben zu müssen, wie der Mörder an den Haaren in ein Auto gezerrt wurde. Das schreckerfüllte Gesicht des Mannes verfolgte ihn.
»Wer ist der Mann? Warum hat er das getan?«
»Das werden wir bald wissen«, meinte Ardalan.
Vor der Botschaft hatte man eine Polizeiwache aufgestellt, einige Leute lungerten vor der Einfahrt herum. Khorvan tot! Es war schier unglaublich; ein so schneller Übergang vom Leben zum Tod! Genauso schnell wie der Stich, den ihm der Mörder versetzt hatte. James versuchte, nicht daran zu denken, was man wohl jetzt im Hauptquartier der SAVAK mit dem Meuchelmörder tat. Er fuhr heim, sagte seinem Diener, daß er kein Abendessen wolle, und setzte sich mit einem Drink an den Springbrunnen im Garten. Eine warme Nacht, angefüllt mit dem betörenden Duft des Jasmins; die Sterne hingen wie Diamanten an einem Samttuch über seinem Kopf. Neben ihm spielten die Wassertropfen ihre zarte Melodie.
Jetzt, wo Khorvan tot war, hatten sie keinen Widerstand mehr zu fürchten. Wie schnell würde Logan in Tokio von dem Mord erfahren? Janet telegrafierte ihm sicher gleich. Er vergaß seinen Drink, horchte nur noch auf die Klänge des Wassers, das in das Marmorbecken plätscherte. Seiner Natur nach war James eher ein Denker als ein Mann der Tat. Ein unüberlegtes, vorschnelles Handeln ging ihm gegen Wesen und Ausbildung. Loyalität gegenüber seinen Vorgesetzten gehörte zum Lebenskodex, selbst einem Logan Field gegenüber. Vom Wohnzimmer aus rief er in der britischen Botschaft an und bat den Botschafter, der in Madrid sein Chef gewesen war, dringend, eine Audienz beim Schah für ihn zu arrangieren.
Jussuf Ibrahimi wurde einer Befragung unterzogen, lautete die offizielle Version im Bericht des Obersten. Langjährige Erfahrung mit dem Ergebnis körperlicher Tortur bei verschiedenen Menschentypen ermöglichte es Ardalan, abzuschätzen, ob der Mörder die Wahrheit sagte. Er sprach völlig offen. Weil sein Bruder Habib umgebracht worden war, hatte er den Minister, den er für den Tod seines Bruders verantwortlich machte, aus Rache getötet. Ardalan hatte ihn bis zu diesem Punkt reden lassen. Dann kam nach einer längeren Pause die nächste Frage. Er rauchte seine Zigarette zu Ende, ehe er sie stellte. »Warum sollte sich ein bedeutender Mann, wie Khorvan es war, mit einem Wurm wie deinem Bruder befassen?«
Undeutliches Gemurmel erklang. Habib habe den Minister ausspionieren sollen, weil er ein Verräter war, der Imshan an die Kapitalisten verhökern wollte. Und deshalb war Habib die Kehle durchgeschnitten worden. Ardalan setzte sich auf. Das Zimmer war grau vom Zigarettenrauch, der sich um die gnadenlos auf den Gefangenen gerichteten Scheinwerfer kräuselte. Endlich wurde das Puzzle erkennbar, ein großes Stück
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