Bitterer Jasmin
für ihn, nicht auszuweichen und sich ihren unerwünschten Zärtlichkeiten zu entziehen. Er legte ihr die Hand auf den Kopf und versuchte, freundlich zu sein. Dabei wußte er aber, daß sie nur die Zurückweisung empfinden würde, die er jetzt aussprechen würde. »Lieber nicht«, wich er aus. »Wir haben damit alles kompliziert. Das können wir uns nicht leisten. Wir sind jetzt gute Freunde und Kameraden und müssen uns damit zufrieden geben.«
Sie stand auf und tat, als akzeptiere sie das. Er wußte ja nicht, warum, und bewunderte insgeheim ihre Haltung. »Wie du willst«, sagte sie. »Es werden sich schon mehr Frauen für dich zum Narren gemacht haben. Jetzt gehöre ich eben auch zu dem Klub. Ich gehe jetzt ins Bett. Aber nach Nizza fahren wir morgen?«
Kaum daß sie die Terrasse verlassen hatte, vergaß er sie schon. Sie hatte keine Szene gemacht, Gott sei Dank. Es war elf Uhr. Resnais schlief wohl schon. Er mußte nur noch warten, bis Madeleine auch soweit war, dann konnte er zu Eileen hinauf. Er tastete in der Tasche nach dem Schlüssel.
Peters hatte versucht, Eileen und sich selbst zu analysieren. Natürlich konnte man es leicht mit sexuellem Begehren erklären. Er hatte mit ihr ins Bett steigen wollen und deswegen Resnais attackiert und Madeleine zurückgewiesen. Sie wiederum hatte Angst, war einsam und hatte eine masochistische Einstellung zu dem Mann, der sie gefangen hielt. Klang alles ganz gut – aber es stimmte nicht. Es war etwas viel Tieferes als rein physische Bindung oder psychische Verdrehtheiten. Alle Beschützerinstinkte in ihm, früher auf die Masse Mensch gerichtet, auf die Unterdrückten, waren jetzt nur noch auf sie zentriert. Dabei war sie keineswegs die attraktivste und schönste Frau, die er kannte – aber das einzige menschliche Wesen, für das er sich persönlich verantwortlich fühlte. Es durfte ihr nichts geschehen! Bis zu diesem Punkt war er gekommen. Sonst hatte sich nichts verändert. Sein politischer Glaube war gleich geblieben, er bereute nichts, was er um seinetwillen getan hatte, und würde es jederzeit wieder tun. Eileen Field war etwas ganz anderes in seinem Leben. Peters zog den Schlüssel zu ihrem Zimmer aus der Tasche. Noch nie hatte er einen Menschen geliebt, jedenfalls nicht, seit Andrew Barnes tot war. Jetzt liebte er. Es war alles so einfach, und er kämpfte auch nicht dagegen an.
Madeleine lauerte hinter ihrer Tür, hörte ihn vorbeigehen. Als er bei Eileen aufschloss, öffnete sie ihre Tür einen Spalt und sah ihm nach.
***
Resnais ging um sechs Uhr morgens in die Küche hinunter, die so modern eingerichtet war, daß sie mehr einem Operationssaal glich. Er trat zum Herd mit dem Klarsichtbackofen in Augenhöhe und betätigte einen Hebel am Armaturenbrett, dann drehte er den Knopf der Abzugshaube in entgegengesetztem Uhrzeigersinn und drückte gleichzeitig auf die Tür daneben. Sie öffnete sich nach innen in einen Vorratsraum, der mit Schusswaffen und Munition angefüllt war. Er zögerte kurz und wählte schließlich eine russische M-1930 mit Teleskop und die dazugehörige Munition. In dem Raum befand sich alles: von Gewehren über Revolver bis zu Maschinenpistolen und zur ARIS, einer beliebten Guerillawaffe. Resnais liebte Waffen. Manche bezeichneten sie als Phallussymbole – für ihn eine typische Bourgeois-Idee. Mit seiner Libido war alles in Ordnung, und trotzdem war er ein Waffenfan. Er kehrte in die Küche zurück, schloß die Schranktür, legte den Hebel in Ausgangsstellung und packte Gewehr und Munition in eine lange Schachtel, die er mitgebracht hatte. Sie stammte aus einem Sportgeschäft in Nizza und enthielt einst diverses Angelgerät. Dann ging er zur Garage hinaus, in der ein Renault 5 stand, der für Kurzstrecken benützt wurde, ein glänzendweißer Rolls-Royce, das Lieblingsspielzeug des reichen Algeriers, und ein langer, niedriger Jaguar Typ E. Er verstaute die Schachtel im Kofferraum des Jaguar, verschloss ihn und steckte den Schlüssel ein. Peters sollte morgen nicht den schnellen Wagen nehmen. Anschließend lief er auf die Terrasse, sprang die fünfzig Felsstufen zum Meer hinunter und badete.
***
Als Madeleine herunterkam, aß Resnais bereits seine Frühstückssemmeln und trank frisch gebrauten Kaffee. Er grinste zur Begrüßung und zog mit einer Hand einen Stuhl zurecht; in der anderen hatte er eine Buttersemmel, mit der er ihr zuwinkte. Er war bester Laune, lachte, machte Späße und erzählte von seinem morgendlichen Bad. Madeleine
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