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Bitterer Jasmin

Bitterer Jasmin

Titel: Bitterer Jasmin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyny Anthony
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London.
    Der Mann im Spiegel beugte sich vor, barg das Gesicht in den Händen. Er merkte plötzlich, daß er an sie nur noch in Vergangenheit denken konnte.
    ***

    Resnais hatte das Haus früh verlassen; nachdem er sich vergewissert hatte, daß die Schachtel noch unberührt im Kofferraum lag, fuhr er los. Bei der Abzweigung zur Bergstraße parkte er den Wagen auf einem Abstellplatz, zog die Sandalen aus, schlüpfte in kräftige Schuhe mit griffigen Gummisohlen und streifte einen schwarzen Pullover über das T-Shirt. Dann fuhr er wieder auf die Straße hinaus und bog in Richtung Gebirge ab. Es war ein heißer Vormittag, der Schweiß rann ihm herunter. Neun Uhr fünfundfünfzig. Madeleine wollte mit Peters um zehn Uhr aufbrechen. Bis zu der Stelle, die er ihr angegeben hatte, würde sie etwa fünfundzwanzig Minuten brauchen. Die Straße stieg in Windungen an. Links waren Pinienhänge. Bei einer besonders scharfen Kurve verlangsamte Resnais die Fahrt, fuhr dann noch hundertfünfzig Meter weiter zu einem breiteren Straßenstück und stellte den Wagen im Schatten des Felsens ab.
    Der Franzose holte die Schachtel aus dem Kofferraum und rannte zur Ecke zurück. Zehn Uhr fünfzehn. Er erkletterte den überhängenden Felsen und versteckte sich schließlich in einem Gebüsch, das er schon am Vormittag für diesen Zweck ausgesucht hatte. Von hier aus konnte er die Straße übersehen und vor allem jedes Auto, das sich der Biegung näherte. Nach rechts fiel der Abhang Hunderte Meter steil ins Tal ab. Resnais packte das Gewehr aus und befestigte das Teleskop darauf. Er sah ein Auto kommen und warf sich ins Gebüsch. Ein roter Peugeot kam die Straße entlang, er konnte sogar das Nummernschild entziffern.
    ***

    Madeleine hatte sich vorn neben Peters gesetzt. Ihre Basttasche warf sie auf den Rücksitz. Auf ihre Bemerkung über die Hitze gab er irgendeine banale Antwort, dann schwiegen beide. Sie beobachtete die Straße und sah sich gelegentlich nach allen Seiten um. Die Strecke wurde immer steiler. Er fuhr schnell, aber ohne Risiko. Sie näherten sich der Stelle, an der Resnais lauerte.
    Madeleine nahm ihre Armbanduhr in die Hand. »Ich muß sie reparieren lassen, sie geht nicht mehr seit gestern.«
    »Am Strand ist ein Uhrmachergeschäft«, sagte er.
    Sie zog die Uhr wieder über. Ihr Fenster war heruntergekurbelt, der Arm lag auf dem Türrahmen.
    »Merde!«
    Peters verlangsamte automatisch die Fahrt. »Was ist los?«
    »Meine Uhr ist rausgefallen. Du mußt anhalten.« Er stoppte, sie sprang aus dem Wagen. Die Biegung lag genau vor ihnen, er konnte nicht sehen, was von der anderen Seite kam, und auch nicht gesehen werden.
    »Beeil dich, ich kann hier nicht stehenbleiben.« Sie hatte am Boden herumgesucht, richtete sich jetzt auf und sah ihn an. »Dann fahr weiter«, schlug sie vor. »Ich glaube, um die Ecke ist ein kleiner Parkplatz. Wart dort auf mich.«
    Seine gereizte Antwort verstand sie nicht ganz. Während er weiterfuhr, blieb sie stehen. Noch hundert Meter. Resnais wartete oben. Er war ganz ruhig, völlig kalt. Als er das Auto sichtete, saß Madeleine schon nicht mehr drinnen. Er richtete das Zielfernrohr auf das rechte Vorderrad, und als Peters kurz vor der Ecke angelangt war, drückte er ab. Peters kannte die Straße und die Biegung und verlangsamte die Fahrt nicht so sehr, wie es ein Fremder getan hätte. Ohne seine Aufmerksamkeit von der Straße zu wenden, sah er, daß sich in den Büschen auf dem Überhang etwas bewegte. Als der Reifen platzte, versuchte er, kurz gegenzusteuern. Er stieg hart auf die Bremse und verriss den Wagen nach rechts, in der Hoffnung, noch durch die Kurve zu kommen, aber seine Geschwindigkeit war zu groß. Die Hinterräder glitten ab, der Renault stürzte mit der Nase nach vorne den Abhang hinunter. Krachen, Klirren – ein Höllenlärm, dann ein dumpfer Knall, als der Benzintank explodierte. Hässlicher schwarzer Rauch stieg zur Straße herauf. Madeleine rannte zur Ecke. Resnais kletterte aus seinem Versteck, sie sahen beide den Abhang hinunter. Unten zwischen den Bäumen brannte es.
    »Leb wohl, Peters«, grinste Resnais und schlug Madeleine fröhlich auf die Schultern. »Komm jetzt, steig ein.«
    Sie wandte sich rasch ab, damit er nicht die Tränen in ihren Augen sah.
    Die Polizei erfuhr noch in der gleichen Stunde von dem Unfall; aber als die Suchpatrouille zu den Überresten des Wagens kletterte, fand sie nichts als glühendheißes, verbogenes Metall vor. Zwischen den Bäumen loderten noch

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