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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Fürstin und des Leichenbegängnisses ein besorgter Wirt zu sich gerufen hatte.
    »Den Mann kannte hier niemand. Er war vermutlich auf dem Weg nach Prag. In Krumau wollte er nicht länger als ein paar Tage bleiben. Notgedrungen, behauptet der Wirt vom ›Grünen Stübel‹, das ist ein Gasthaus in der Schwanengasse. Er sagte mir, sein Gast habe auf jemanden gewartet, aber auf wen, konnte er nicht sagen. Er beschrieb den Fremden als hochgewachsenen Mann mit gebräunter Haut, bärtig und mit schwarzen Haaren, die ihm bis auf die Schultern fielen. Höflich, aber distanziert sei er gewesen. Er redete auch nicht viel, und wenn er einmal sein Zimmer verließ, dann nur, um zur Apotheke zu gehen.«
    »Zur Apotheke?«, rief Gersdorf überrascht. »Zu Taborius?«
    »Allerdings. Die Familie war aber nicht zu Hause, sie befand sich auf einer Reise nach Wien, wie ich später erfuhr. Vielleicht war der Apotheker derjenige, auf den der Fremde wartete.«
    Gersdorf legte die Stirn in Falten und dachte nach. Das bedeutete, dass der Mann nach Krumau gekommen war, während Maria und er sich in Wien verlobten. Aber wer, zum Teufel, war er gewesen und was hatte er mit der Familie des Apothekers zu schaffen?
    »Der Fremde verstarb vier Tage, nachdem er sich im Brückenzollhäuschen am Stadttor angemeldet hatte, das wurde nachgeprüft. Leider war der Stadtwächter, der ihn examinierte, recht nachlässig. Es ließ sich nicht einmal der Name im Meldebuch entziffern. Aber vermutlich stammte der Fremde aus dem Ausland. Der Wirt meinte auch, er habe alle Wörter so merkwürdig betont, als würde er beim Sprechen singen.«
    »War jemand bei dem Mann, als er starb?«
    Stadtphysikus Posener zog sein Schnupftuch aus der Tasche und putzte sich umständlich die Nase, bevor er schließlich bedauernd den Kopf schüttelte. »Gesehen hat ihn niemand, mein junger Freund. Der Fremde war allein, als er im Hof des Gasthauses das Bewusstsein verlor. Zwischen Stall und Remise fiel er ins Stroh. Peng. Mausetot. Eine Magd fand ihn, als sie melken wollte. Sie rief ihren Herrn, nachdem sie mit Kreischen fertig war. Und der Wirt informierte mich. Gemeinsam schleppten wir den Mann die Stiege hinauf in sein Zimmer, wo ich ihn untersuchte, obwohl der Wirt jammerte, dass er keinen Leichnam im Haus haben wollte. Ich fand zwei Wundmale und nekrotische Stellen an seiner rechten Hand. An der des Toten natürlich, nicht beim Wirt. Außerdem war er weiß wie Kalk, als habe er keinen Tropfen Blut mehr in seinen Adern. Was mich aber noch mehr erschreckte, war die Starre seines Körpers. Nein, nein, nicht die rigor mortis, die jeder Leichnam nach einer Weile aufweist. Der Mann wirkte im Tod so überrascht, er hat das Unheil gewiss nicht kommen sehen. Und doch fehlt, abgesehen von den kleinen roten Malen, jede Spur von Gewaltanwendung. Und genauso war es auch bei den beiden Herrschaften aus dem Apothekenhaus.«
    Die Worte des Physikus verfolgten Gersdorf, während er den Weg zurück zur Apotheke antrat. Die ganze Angelegenheit war mehr als mysteriös, das musste er zugeben. Einer Antwort auf die Frage, woran die drei Toten so plötzlich gestorben waren, war er keinen Schritt näher gekommen. Dies fand er nicht nur beunruhigend, sondern geradezu grotesk. Er war überzeugt davon, dass Posener dem Alkohol verfallen war, demzufolge durfte man nicht alles für bare Münze nehmen, was er sagte oder bemerkt haben wollte. Auf der anderen Seite beruhigte Gersdorf der Gedanke, dass Maria bei ihm in Wien gewesen war, als das erste Opfer der mysteriösen Krankheit - wenn es denn eine Krankheit und kein Mord war - den Tod gefunden hatte. Gersdorf war kein Advokat, aber es verstand sich doch wohl von selbst, dass seine Braut keine Schuld treffen konnte, wenn sie viele Meilen von Krumau entfernt gewesen war. Als die Frau ihres Onkels und ihr Vetter gestorben waren, hatte sie allerdings schon wieder in der Stadt, ja sogar im Haus gewohnt. Und ja, so sehr es Gersdorf auch bekümmerte, eines musste er sich wohl oder übel eingestehen: Es war seltsam, was sich in der Stadt zutrug, seit die Fürstin Schwarzenberg gestorben und Maria nach Krumau gekommen war. Gersdorf bedauerte es sehr, dass die Verstorbenen bereits in ihren Gräbern ruhten und nicht mehr für eine Beschau zur Verfügung standen. Warum hatte Maria nicht schon früher geschrieben? Nur um ihn nicht von seinen Prüfungen abzulenken? Der Leichnam der Fürstin war in Wien geöffnet worden, das wusste Gersdorf von seinem Onkel. Die besten

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