Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Rebenstock blieb stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Das Schwert entfiel seiner Hand und er presste seine andere Hand gegen die rechte Schulter. Zwischen seinen Fingern drang Blut hervor und färbte den Stoff seiner karierten Jacke rot.
Im gleichen Augenblick überwand Dirk Maruhn die schmerzhafte Erschütterung, die das Auffangen der schweren Frau in ihm ausgelöst hatte. Er trat neben den Verletzten und richtete den Revolverlauf auf ihn.
»Wie war das mit dem Klappergestell?«
»Der Teufel soll Sie holen«, flüsterte Waldemar Rebenstock mit grauem Gesicht.
»Es wird nicht mehr lange dauern, dann lädt der Satan Sie ein, in Zukunft bei ihm zu wohnen!«
»Sie müssen mich verbinden! Ich will nicht sterben!«, kreischte der Mann.
Maruhn wandte sich zu Hedda Rebenstock um. Diese hatte sich inzwischen ebenfalls auf die Beine gekämpft, humpelte aber, als sie näher kam.
»Besorgen Sie Verbandszeug und verbinden Sie diesen Mann. Ich will nicht, dass er stirbt, bevor der Staatsanwalt ihn verhören kann«, wies Maruhn die Frau an.
»Wie käme ich dazu? Dieser Schuft wollte mich umbringen!« Hedda Rebenstocks Blick suchte das am Boden liegende Schwert, doch als sie sich danach bücken wollte, stieß Maruhn es beiseite.
»Sie tun jetzt gefälligst das, was ich sage!«, schnauzte der Detektiv die Frau an.
Diese Sprache verstand sie. Während sie grummelnd abzog, um das Verlangte zu holen, beugte Maruhn sich über den verletzten Mörder.
»Wo ist eigentlich das Dienstmädchen? Haben Sie das auch umgebracht?«
Der andere schüttelte mühsam den Kopf. »Nein! Das dumme Ding wollte nicht in einem Haus bleiben, in dem ein Mord geschehen ist. Mir kam ihr Verschwinden zupass, denn ich musste das neue Testament meines Onkels suchen und vernichten. Bei Gott, ich wollte ihn nicht umbringen lassen, aber mir blieb keine andere Wahl!«
Die Schwächung durch die Verletzung und der hämmernde Schmerz brachten Waldemar Rebenstock dazu, mehr zu sagen, als er sonst getan hätte. Fast schien es, als wäre er froh, sich alles von der Seele reden zu können, was ihn bedrückte.
»Mein Onkel wollte mich enterben! Aber ich brauchte dringend Geld, um meine Schulden bei Joachim Steffler zahlen zu können. Ach, hätte ich diesen Mann doch niemals kennengelernt!«
»Warum hatten Sie Schulden bei Steffler?«, fragte Maruhn interessiert.
»Es waren Spielschulden! Ich habe Steffler beim Pferderennen kennengelernt und gegen ihn gewettet. Zuerst hatte ich eine ansehnliche Summe gewonnen. Dann machte er mir den Vorschlag, mein Glück auch beim Kartenspiel zu versuchen. Ich ging darauf ein und gewann ebenfalls, verlor aber bald darauf alles, was ich besaß, und noch viel mehr. Bei dem Versuch, meine Verluste wieder hereinzuholen, geriet ich immer tiefer ins Verderben. Zuletzt hat Steffler mir die Pistole auf die Brust gesetzt und das Geld verlangt. Ich bat meinen Onkel, mir die Summe vorzustrecken, doch der Alte wurde zornig und erklärte, er sei nicht bereit, für meine Schulden aufzukommen. Auch hätte ich, verderbt, wie ich sei, in seiner Firma nichts mehr verloren und er würde mich enterben.«
»Deshalb haben Sie den Hausdiener dazu gebracht, Ihrem Onkel Rattengift in den Pudding zu rühren?«, fragte Maruhn.
»Nein, so war es nicht!«, stöhnte der Verletzte.
»Steffler hat diesen Vorschlag gemacht. Er hat mit Emil Klotzke gesprochen und ihm Geld angeboten, wenn er dem Alten das Gift unterjubeln würde. Ich bin außen vor geblieben, denn Steffler wollte nicht, dass man mich ebenfalls verdächtigte. Aber ich sollte das fatale Testament an mich bringen und den trauernden Neffen spielen. Ich habe den Mord nicht gewollt, wirklich nicht!«
Mehr sagte Waldemar Rebenstock nicht, weil seine Tante mit Schere, Pflaster und Leinenstreifen herankam und ihr Samariterwerk begann. Besonders zart ging sie nicht mit dem Neffen ihres Mannes um, doch das konnte Maruhn ihr nicht verdenken. Immerhin hatte der Mann versucht, sie umzubringen.
Während Maruhn zusah, wie der Verletzte verbunden wurde, dachte er über die Winkelzüge des Schicksals nach. Waldemar Rebenstock mochte einen schwachen Charakter besitzen, doch zum Verbrecher war er erst durch den Kontakt mit Joachim Steffler geworden. Das würde ihn jedoch nicht vor dem Schafott bewahren.
»Haben Sie einen Nachbarn, den Sie wecken können, damit er sowohl einen Arzt als auch die Gendarmerie holt?«, fragte er nach einer Weile.
»Mein Nachbar Dr. Racken ist selbst Arzt«, erklärte
Weitere Kostenlose Bücher