Bitteres Blut
entsprechende Hinweise geben können. Zweitens würde es unsere Arbeit bedeutend erleichtern, wenn Sie, Herr Kriminalobermeister, Ihre gesamten Erkenntnisse noch heute in einem anschaulichen Bericht zusammenfassen und vorlegen . Können wir uns darauf einigen?«
»Wenn ich wieder über meine Akten verfügen darf?«
»Sie dürfen«, sagte Hildebrandt eisig und schob ihre Kaffeetasse mit einer heftigen Bewegung in die Mitte des Tisches.
»Vielen Dank, Frau Hauptkommissarin.«
»Keine Ursache«, sagte sie spitz. »Und noch eins: Rufen Sie Bossen an und erkundigen Sie sich, ob er den alten Herrn bereits über den Tod seines Sohnes informiert hat. Wenn nicht, sagen Sie mir Bescheid.«
Lorinser nickte.
»Na denn«, sagte Timmermans und schob, als hätte er auf das Stichwort gewartet, erleichtert den Stuhl zurück.
7
Lorinser rief die Polizeistation Lemförde an. Ja, Bossen hatte Wolfhardt Böse bereits über den Tod seines Sohnes informiert.
»Wie der Alte reagiert hat?« Bossens satte Stimme produzierte ein glucksendes Gelächter. »Gar nicht, würde ich sagen. Stand da wie sein eigenes Denkmal, blies sich den Rotz aus der Nase, und das war’s.«
»Kein Kommentar?«
»Kein Zucken im Ledergesicht. Aber vorhin hat er angerufen. Fragte, wer denn für die Beerdigungskosten aufkommt. Scheint seine einzige Sorge zu sein, dass er für den Sarg in die Kasse greifen muss. Ich habe es Ihnen bereits gesagt: Der Kerl ist kalt wie ein Fisch.«
Oder geschockt wie vom Elektrofischen, sagte sich Lorinser, als er sich bei dem Lemförder Polizisten bedankt hatte und das Handy ausschaltete. Wolfhardt Böse zu besuchen, war wohl keine gute Idee. Zu befürchten war, dass der Alte, unter dem Schuttberg seiner Vorurteile begraben, weiterhin den beleidigten Maulwurf spielte. Von Kröger, in dessen Güllegrube die Leiche geschwommen hatte, waren dagegen interessante Einlassungen zu erwarten. Falls er denn zu Hause anzutreffen war.
»Von den Ärmsten ist der ganz schön weit weg«, sagte Steinbrecher, als Lorinser den Wagen im Schatten einer mächtigen Eiche parkte. Vor ihnen das Heck eines silbergrauen Mercedes. In der hallenartigen Garage ein rotes Porsche Cabriolet neben einem geschlossenen Pferdeanhänger. Das Haus aus weißen Klinkern erbaut, mit schwarzen Ziegeln eingedeckt. Granitsäulen vor dem Portal. Auf der leicht abschüssigen Grünfläche breitete von einem Sandsteinsockel ein Bronzeengel seine Flügel über einem Gänse hütenden Kinderpaar aus. In einiger Entfernung, vor einem wuchernd blühenden Rosenbusch, eine Schwanengruppe ausrostendem Stahl, die Lorinser an die Plastiken Paulas erinnerte. Rosenduft schwängerte die Luft. Lorinser drehte den Zündschlüssel. Sie hangelten sich aus der Isabella.
»Man hätte auf Chemie setzen sollen«, sagte Lorinser.
»Hab ich doch. Aber was dabei herausgekommen ist, siehste ja.«
»Du hast nicht auf Chemie gesetzt, du hast die vermeintliche Sicherheit der Beamtenlaufbahn gewählt.«
»Kenne noch einen, der so blöd war.«
»Bei mir war’s der pure Idealismus. – Sollen wir uns reintrauen?«
»Vielleicht kriegen wir ja einen guten Kaffee.«
Eine Frau öffnete. Um die fünfzig, im aufgesteckten blonden Haar eine Sonnenbrille. Gebräuntes Gesicht mit aus Krähenfußnestern argwöhnisch fragenden Augen, grau wie das Meer, auf das sie vor Kurzem noch geblickt hatten. Frisch aufgetragener Lippenstift, blutrot wie ihr Trägerkleidchen. Cartier am linken Arm. Weiße Sandalen, rot lackierte Zehennägel.
»Der arme Junge«, flüsterte sie, als sie einen Blick auf Lorinsers Dienstausweis geworfen hatte. »Sie wollen das sicherlich mit meinem Mann besprechen. Kommen Sie bitte.«
Eichenparkett. Wie hingeworfen kostbare Teppiche, in denen die Schuhe wie in Moos versanken. Ein Barocksekretär mit Telefon und hochglänzenden Einrichtungszeitschriften. An den Wänden wie Soldaten in Reih und Glied ausgerichtet fremdartige Gesichter vergangener Zeiten. Eine großflächige neblige Moorlandschaft mit jagenden Reitern. Durch einen gemauerten Rundbogen gelangten sie in den Salon. Museale Düsterkeit, beherrscht von zwei gegenüberstehenden barocken Kabinettschränken voller anscheinend kostbarer Porzellanfiguren und einem Tabernakelsekretär. Dazwischen ein schwerer Mahagonitisch, auf dessen dunkler Platte auf einem Seidenschal Sterlingsilber glänzte. Über dem Kamin, dessen marmorne Eleganz die Herkunft aus einem französischen Landschloss ahnen ließ, glitzerten im Licht
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