Bitteres Blut
Sie blieb abrupt stehen, als sie die beiden Beamten entdeckte. Ihr Kopf ruckte angriffslustig nach vorne. »Ach, dann habe ich doch richtig gelegen, dass das da draußen Ihr Auto ist! Was wollen Sie denn jetzt noch? Na, das ist wohl klar! Aber jetzt freue ich mich erst mal auf einen Kaffee und auf den Kuchen, den ich mitgebracht habe. Bio. Vom Bauernladen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stampfte sie, den springenden Hund an der Seite mit Blicken strafend, in Richtung Küche. Moritz stand abrupt auf und folgte ihr.
»Immer diese Bevormundung«, stieß Melanie hervor und sog gierig an ihrer Zigarette. Ihr Gesicht verdüsterte sich noch mehr. Mit der Erzieherrolle ihres Bruders schien sie jedenfalls nicht einverstanden zu sein. Lorinser fragte sich, ob der Kronprinz seine Mutter auch im direkten Gespräch mit dem Vornamen anredete. Seine Eilfertigkeit deutete eher gehörigen Respekt vor ihr an, fand er.
»Kennen Sie Herrn Halvesleben, den Journalisten?«
»Wer kennt den nicht? Der macht doch die Zeitung von der Bürgerinitiative, die glücklicherweise verhindert hat, dass die hier den Dümmer zubetonieren.«
»Man kann die Dinge nicht nur aus der ökologischen Ecke betrachten«, sagte Moritz vom Durchgang her. »Ökonomisch betrachtet war das Ganze die reine Katastrophe. Der Gegend hätte die geplante und leider gescheiterte Entwicklung des Tourismusmehr als gut getan. Dann wären wenigstens die elenden Wohnwagensiedlungen am See verschwunden.«
»Lieber Wohnwagen als Hoteltürme.«
»Du mit deiner Micky-Maus-Philosophie!«
»Müsst ihr schon wieder streiten?«
»Wir streiten ja nicht«, sagte Moritz, ohne sich nach seiner Mutter umzudrehen, die mit einem Kuchentablett auf den Tisch zuging. »Mich ärgert nur, wenn Ahnungslose so tun, als hätten sie den Durchblick.«
»Wer hat denn seine Prüfung geschmissen? Du oder ich?«
»Halt doch die dumme Gosch, du blöde Kuh! Du weißt doch ganz genau …«
»… dass jetzt Schluss ist, Moritz!«, blaffte Gertraude Simmerau zornig. »Das gilt auch für dich, Fräulein!« Laut seufzend stellte sie das Tablett ab, verdrehte in Richtung der beiden Polizisten die Augen und ließ sich mit dem Rücken zum Raum auf einen der Stühle fallen. »Haben Sie denn den Verdacht, dass der Halvesleben was mit der Sache zu tun hat, Herr Lorinser?«
»Wir ermitteln in alle Richtungen.«
»Jedenfalls haben die sich am Sonntag ganz schön in die Haare gekriegt«, sagte Melanie.
»Wieso?«, fragte Lorinser.
»Da steckte mal wieder die Bersenbrück dahinter«, erklärte Gertraude Simmerau, während sie sich ein Stück Kuchen auf den Teller legte. »Die lässt ja nichts unversucht, um den Jungen unter Druck zu setzen. Die hat den Halvesleben richtiggehend gegen ihn aufgestachelt!«
»Wie kannst du das behaupten, Mutti? Du warst doch gar nicht dabei!«
»Ich weiß, worauf dieses Luder es abgesehen hat.«
»Darum ging es doch gar nicht.«
»Um was denn?«, fragte Lorinser.
Melanie schnippte die Asche von ihrer Zigarette. »Sie hat nur eine Bemerkung gemacht. Ob ich die Nächste wäre, die er sitzenlässt. Ich habe ja mit ihm getanzt. Er ist sofort explodiert und hat ihr eine runtergehauen. Und als Halvesleben dazwischenging, hat er auch gegen den gepöbelt.«
»Er hat ihn lediglich vor einer Vaterschaftsklage gewarnt!«
»Hat er nicht, Mutti, er hat sie als Nutte und ihn als ihren Zuhälter beschimpft. Halvesleben ist ganz ruhig geblieben, hat ihn am Arm gepackt und aus dem Zelt geschoben. Und draußen, hinter der Würstchenbude, da erst hat er ihm eine geschallert. Und das zu Recht, kann ich nur sagen, so wie der sich aufgeführt hat.«
»Alles Bauern«, kommentierte Moritz, seine Kuchen schaufelnde Mutter kritisch betrachtend. »Ich bin froh, wenn ich wieder in Freiburg bin.«
»Ich auch«, sagte Gertraude Simmerau mit einem tiefen Seufzer. »Jedenfalls werde ich es nicht mehr zulassen, dass ihr gleichzeitig hier seid. Diese ewige Streiterei. Wenn dir eine Laus über die Leber gelaufen ist, ist das kein Grund, deinen Bruder so anzugehen, Fräulein. Und überhaupt: Ihr müsst doch langsam zur Vernunft kommen und wenigstens ein bisschen solidarisch miteinander umgehen. Das gilt auch für dich, Moritz. Auch für dich! – Haben Sie Kinder?«
Ihr Blick richtete sich auf Steinbrecher.
»Leider nein.«
»Die können schon eine Last sein.« Sie musterte Lorinser. Ihr Gesicht wirkte müde. »Dass ich mich über Sie beschwert habe, will ich Ihnen auch noch sagen. Sie haben mich
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