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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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Allerdings konnte sie trotz intensiver Suche nicht beigebracht werden. Auch das Exemplar, das der Staatsanwaltschaft üblicherweise zur Verfügung gestellt wird, ist spurlos verschwunden. – Angesichts der viel gepriesenen Bürokratie ein seltsam anmutender Umstand, nicht wahr?«
    Zufall? Lorinser wog innerlich den Kopf. Bürokratie ist da, um Schlamperei und damit Zufälle auszuschließen. Und Archivare gehörten zur Gattung der Sammler, die ihren Trophäen qua Verpflichtung unverkennbare Marken aufdrückten, um ihnen jederzeit auf der Spur bleiben zu können. Dass ein Stück verloren geht, ist dennoch möglich, aber zwei in unterschiedlichen Archiven gelagerte?
    »Sie glauben, Böse hatte die Hand im Spiel?«
    »Seine während des Prozesses demonstrierte Gelassenheit spricht dafür. Sein Geld und seinen Einfluss weiß er auch zu nutzen, wie ich oft schmerzlich erfahren habe.«
    »Mit anderen Worten, Sie haben verloren?«
    Krögers hagerer Körper schien sich aufzublasen. Ein nicht nur heftiges, ein stolzes Kopfschütteln und eine Hand, die unversehens als Faust auf der Glasplatte landete. »Glücklicherweise haben wir den protokollierenden Beamten ausfindig machen können, der sich zum Entsetzen der Gegenseite auch noch erinnerte. Nichts war mehr mit Böses Gelassenheit, nur noch Geifer und Zorn brachen aus ihm hervor«, fügte Kröger zufrieden lächelnd und voller Genugtuung hinzu.
    Und noch mehr Konfusion, dachte Lorinser, im Hinterkopf die Frage, ob die Lösung des Rätsels um den Tod Thorsten Böses tatsächlich in den dunklen Labyrinthen der Vergangenheit der beiden Alphatiere zu suchen war.
    »Wieso hat Böse Sie mit der Verwaltung seines Besitzes betraut? Haben Sie sich um die Stellung bemüht?«
    »Um Gottes willen! Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, mich mit ihm in Verbindung zu setzen. Ich wusste ja, wie er zu meinem Vater stand, der … nun ja, nicht gerade zu den Gegnern des Dritten Reiches gehört hat. Nein, Böse kam auf mich zu. Ich nehme an, er sah in mir nichts weiter als den frischgebackenen Agrarfachmann, den er für fähig hielt, seinen verlotterten Besitz auf Vordermann zu bringen.« Krögers Gesicht nahm einen angewiderten Ausdruck an. »Das ist mir ja auch gelungen«, fügte er bitter hinzu.
    »Fällt Ihnen etwas ein, das uns helfen könnte?«
    Kröger schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber mehr, als ich gesagt habe, kann ich Ihnen wirklich nicht bieten.« Die Worte tropften wie ein erschöpfter Seufzer von seinen Lippen. Seine Hände vollführten eine ungefähre Bewegung, ehe sie kraftlos auf die Glasplatte fielen.
    »Kümmert sich jemand um Ihr Anwesen, wenn Sie verreist sind?«
    »Die Flächen sind verpachtet, für das Haus haben wir eine Angestellte. Außerdem schauen meine Kinder hin und wieder nach dem Rechten. Meine Tochter war gestern hier, aber Sie kann Ihnen noch weniger als ich erzählen.« Seine Lippen verbogen sich zu einem resignierten Lächeln. »Meinen Sohn kennen Sie ja bereits. Ich nehme an, Sie werden sich auch mit meiner Tochter in Verbindung setzen wollen?«
    Lorinser nickte. »Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer und Anschrift geben könnten?«
    »Selbstverständlich«, sagte Kröger, erhob sich und ging, das Becken wie einen Schneeräumer nach vorne geschoben, das linke Bein nachschleppend, an seinen Schreibtisch. Er öffnete ein Verzeichnis und schrieb die Adresse auf einen Notizblock. »Ich wünsche Ihnen und mir einen schnellen Erfolg«, sagte er, als er den Zettel überreichte.
    »Wir tun unser Bestes«, sagte Lorinser und erhob sich. Steinbrecher seufzte aus unerfindlichen Gründen. Möglicherweise war er enttäuscht, keinen Kaffee bekommen zu haben. Kröger kehrte nichtmehr an den Tisch zurück, sondern öffnete schweigend die Tür und deutete lediglich ein Nicken an, als die beiden Beamten an ihm vorbei den Flur betraten. Sanft rastete hinter ihnen die Tür ins Schloss.
    »Ist dir sein Gang aufgefallen?«, fragte Steinbrecher, als sie das Haus verlassen hatten.
    »Du meinst, dass er sein rechtes Bein nachzieht?«
    »Das nicht«, flüsterte Steinbrecher, als fürchtete er, belauscht zu werden. »Ich meine, wie breitbeinig er geht und wie er sein Becken nach vorne schiebt?«
    »Hat wohl Haltungsprobleme.«
    Sie stiegen ein.
    »So ein Gang ist angeboren«, sagte Steinbrecher. »Was ich meine, ist, dass der ganz demonstrativ sein Geschütz zeigt. Legt euch ja nicht mit mir an! In diesem Sinne. Das ist einer, der gnadenlos jedes Hindernis unterpflügt.

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