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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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war älter, als es den Anschein hatte. Tarzans katholische Kirche, ein moderner, weißgekalkter Bau mit großen Fenstern und einem stilisierten Kreuz in der Mitte der Fassade, war dort errichtet worden, wo früher, vor langer Zeit, mitten in einem Orangenhain die bescheidene, aus Lehm erbaute Kirche San Sebastiano gestanden hatte. Von den heute lebenden Gemeindemitgliedern kannte keiner mehr die kleine Kirche, die 1780 erbaut worden war, als die spanischen Franziskaner mit Pater Serra in dieses Tal gekommen waren und die San. Fernando Mission gegründet hatten. Heute erinnerte nur noch eine bronzene Gedenktafel, die an einer Ecke des Parkplatzes in den Boden eingelassen war, an die Mission und den Ort, wo 1783 der erste Indianer getauft worden war.
    Eine Gruppe Leute trat aus der Kirche in den warmen Morgen hinaus. Hastig suchte Mary unter ihnen nach Pater Crispin und entdeckte ihn auf dem. Weg zu seinem Haus.
    »Pater!«
    Er machte halt und drehte sich um. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er einen Moment in die Sonne, dann glättete sich sein Gesicht, und er sah dem Mädchen mit einem breiten Lächeln entgegen.
    »Pater Crispin«, sagte Mary atemlos. »Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
    »Aber natürlich, Mary. Komm herein.«
    Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Lionel Crispin war trotz seiner Leibesfülle ein sehr agiler Mann.
    Sein Büro war dunkel und kühl, holzgetäfelte Wände und braune Ledersessel; starker Kontrast zu dem blendenden Weiß und dem blitzenden Glas der Kirche. Ein wenig außer Atem, setzte er sich an seinen Schreibtisch. Das zugeknöpfte schwarze Jackett spannte über seinem Bauch.
    »Setz dich, Mary«, sagte er. »Was kann ich für dich tun?«
    Der steife elisabethanische Lehnstuhl war unbequem. Sie legte die Hände auf die hölzernen Armlehnen, die in gekrümmten Tierpfoten endeten.
    »Ich wollte Ihnen sagen, daß ich wieder zu Hause bin, Pater.«
    Im ersten Moment schien er nicht zu verstehen, dann fragte er erstaunt: »Ach, für immer? Deine Eltern möchten dich wohl lieber zu Hause haben?«
    Marys Blick wanderte durchs Zimmer und fiel auf ein Porträt. »Pater, ist das der neue Papst?«
    Lionel Crispin sah zu dem Bild hinauf. »Ja, das ist Papst Paul VI.«
    Sie nickte und wandte sich wieder dem Priester zu. »Ich habe mich selbst entschieden, nach Hause zurückzukommen. Meine Eltern hatten mit der Entscheidung nichts zu tun. lch bin letzten Freitag zurückgekommen. Ich wollte nicht mehr im St. Anne's bleiben.«
    »Aha.« Das Lächeln verschwand. Die kleinen dunklen Augen unter den buschigen Brauen wurden ernst. »Und ist es deinen Eltern jetzt recht, daß du zu Hause bist?«
    »Ich weiß nicht genau. Ich glaub schon. Sie haben jedenfalls nichts davon gesagt, daß sie mich wieder ins St. Anne's schicken wollen.«
    Zwischen den dunklen Augen erschien eine steile Falte, die sich immer mehr vertiefte.
    »Pater, ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich ein Problem habe und nicht weiß, was ich machen soll.«
    »Hast du mit deinen Eltern darüber gesprochen?«
    »Um meine Eltern geht es ja, Pater. Wir sind am letzten Sonntag nicht in die Kirche gekommen, weil meine Mutter sagte, sie fühle sich nicht wohl. Aber ich glaube, in Wirklichkeit geniert sie sich mit mir vor den anderen Leuten. Sie hat Angst, daß alle schauen und hinter meinem Rücken tuscheln. Mir ist das gleich, aber meiner Mutter nicht. Ich muß in die Kirche gehen können, Pater.«
    Sein Gesicht entspannte sich sichtlich. Er erinnerte sich, daß Mary, als er sie das letzte mal in seinem Büro gesehen hatte, fast apathisch gewesen war und kein Wort gesprochen hatte; von der Kirche hatte sie nichts wissen wollen.
    Sein Lächeln wurde väterlich. »Natürlich helfe ich dir, Mary. Ich werde mit deiner Mutter sprechen.«
    »Danke, Pater.«
    »Aber sag mir doch, warum du nicht im St. Anne's geblieben bist.«
    Mary senkte die Lider. »Ich habe mich dort nicht wohl gefühlt.«
    Er nickte. »Aber dir ist klar, daß es eine Sünde war, einfach wegzulaufen?«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Wieso?«
    »Du hast das vierte Gebot gebrochen. Du warst deinen Eltern ungehorsam.«
    »Daran habe ich gar nicht gedacht, Pater. Das beichte ich natürlich.«
    Er zog die buschigen Brauen hoch. Vor zwei Monaten hatte sie das Sakrament verweigert. »Dann kann ich wohl annehmen, daß Pater Grundemann vom St. Anne's dir eine Hilfe war?«
    »O ja. Er hat sich mehrmals lange mit mir unterhalten. Dann bin ich zur Beichte gegangen und war von da an

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